Metadaten:
Danke an die "Gesichter der Willkommenskultur"
Ehrenamtstag in Bonn
Rund 500 Ehrenamtliche aus mehr als siebzig Städten und Gemeinden erlebten einen ermutigenden und humorigen Tag mit prominenten Gästen. Wer sich für andere Menschen engagiert, lebt gesünder und länger. Und zwar ganze sieben Jahre. Diese Studie zitiert der Medizinkabarettist Eckart von Hirschhausen besonders gerne.
Und damit diejenigen, die sich für andere engagieren, allen Hindernissen und Anfechtungen zum Trotz durchhalten, verordnet er auch schon mal die rote Clownsnase. Sie sei eine Art „emotionaler Airbag“, erklärte er im Bonner Brückenforum den ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern aus NRW, Saarland, Hessen und Rheinland-Pfalz.
„Setzen Sie die Nase auf, wenn andere Ihr Engagement in Frage stellen“, riet der Kabarettist. „Dann ärgern Sie sich weniger und die anderen gucken blöd.“ In Deutschland, davon ist von Hirschhausen überzeugt, gibt es immer noch „mehr Aufrechte als Rechte, aber die Rechten sind lauter“. Das dürfe nicht so bleiben, mahnte er.
„Ihre Aufgabe ist es, Gutes zu tun, darüber zu reden und andere anzustecken.“ Es war ein klares Bekenntnis für die Flüchtlingshilfe, für Demokratie und Nächstenliebe, das der Kabarettist auf dem Dankesfest formulierte und mit dem er den vielen Ehrenamtlichen Mut machen wollte, sich gegen alle Widerstände und Vorurteile in der deutschen Bevölkerung weiterhin zu engagieren.
Ohne ehrenamtliche Hilfe keine Integration
„Während manche den Untergang des Abendlandes beschworen haben, haben Sie mit Ihrer Willkommenskultur das freundliche, tolerante und menschliche Gesicht Nordrhein-Westfalens gezeigt“, lobte NRW-Integrationsminister Rainer Schmeltzer. Rund 230.000 Geflüchtete seien im vergangenen Jahr allein nach Nordrhein-Westfalen gekommen.
„Ohne die Hilfe der Ehrenamtlichen hätten wir diese Situation gar nicht meistern können.“ Dank des Einsatzes der vielen freiwilligen Helfer und der Förderung von Programmen wie „KOMM-AN NRW“ sei das Land inzwischen „besser denn je aufgestellt für die Herausforderung Integration", so der Minister.
Zwischen Haken und kleinem Idyll
Dennoch hakt es an vielen Stellen, wie in den Gesprächen zwischen Musik, Kabarett und Vorträgen deutlich wurde. Viele engagieren sich nach wie vor in Sprachkursen, denn es gibt zahlreiche Flüchtlinge, deren Asylantrag noch nicht bearbeitet ist und die daher an keinem Integrationskurs teilnehmen.
Das tun sie mit Erfolg, wie das Beispiel des Iraners Farid zeigt, der das Dankesfest mit sechs Ehrenamtlichen des Begegnungszentrums der Diakonie Meerbusch besuchte. Dort hat er so gut Deutsch gelernt, dass er nun selbst als Helfer aktiv ist. Mit Vorurteilen hätten bislang weder die Flüchtlinge noch die Ehrenamtlichen in Meerbusch zu kämpfen, berichteten Bettina und Sylvia. „Wir sind da sicherlich ein kleines Idyll.“
Begegnungen organisieren, Vorurteile abbauen
Auch Monika, die sich mit ihrer Tochter Louise in der Bonner Flüchtlingsarbeit engagiert, hat sich bislang nicht für ihren Einsatz rechtfertigen müssen. Sie betreut zehn Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Iran und veranstaltet regelmäßig Kochabende, zu denen sie Freunde und Nachbarn einlädt.
„Begegnung ist das beste Mittel, um Vorurteile abzubauen oder gar nicht erst aufkommen zu lassen“, betonte sie. Stefanie, Fadya und Daniela aus Oberhausen sehen das ähnlich. Mit ihrem Engagement konnten sie den Ängsten und Vorurteilen in der Nachbarschaft gegenüber der Flüchtlingsunterkunft in ihrer Kirche wirksam begegnen.
Dankbare Männer im Sprachunterricht
Christiane aus Recklinghausen hat dagegen andere Erfahrungen gemacht. Sie gibt einmal in der Woche Sprachunterricht für Analphabeten, größtenteils Männer, „die mich als Frau sofort respektiert haben“. Die Männer seien sehr dankbar und die Atmosphäre im Kurs freundlich.
„Nach den sexuellen Übergriffen männlicher Flüchtlinge in der Kölner Silvesternacht wurde mein Einsatz plötzlich kritischer gesehen.“ Eine Freundin habe für einige Monate sogar den Kontakt zu ihr abgebrochen, erzählt sie.
Gottes Ebenbildlichkeit kennt keine Grenzen
Auch der Präses der rheinischen Kirche, Manfred Rekowski, berichtete in seiner Predigt von E-Mails, in denen ihm Ablehnung, Widerstand und Hass entgegenschlagen. „2015 hieß das Schlagwort in unserer Gesellschaft noch Willkommen, in diesem Jahr ist es die Flüchtlingskrise“, kritisierte er.
„Es gefährdet den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, wenn Flüchtlinge nur noch als ein Problem angesehen werden.“ Eine Begrenzung der Hilfe für Flüchtlinge käme für Kirche und Diakonie nicht infrage, so der Präses. „Gottes Ebenbildlichkeit kennt keine Grenzen.“
Endlose Schleifen der Bürokratie
Der Vorstand der Diakonie RWL, Christian Heine-Göttelmann, sprach nicht nur die Vorurteile an, denen die freiwilligen Integrationshelferinnen und -helfer inzwischen ausgesetzt sind. Es gebe auch viele Hürden, die Ehrenamtliche „aushalten müssen und mussten“. Dazu gehörten die „endlosen Schleifen der Bürokratie und Planlosigkeit vieler Behörden, die drohenden Abschiebungen der Flüchtlinge, die sie betreuen, und ihre Traumatisierungen, die sie mitbringen“. Viele hätten mutig selbst Lösungen für diese Herausforderungen gesucht statt aufzugeben.
„Wären Sie Mitarbeitende in der Notfallseelsorge, hätten wir Sie ein Jahr lang vor Ihrem ersten Einsatz geschult“, betonte der Landespfarrer für Notfallseelsorge der rheinischen Kirche, Uwe Rieske, in seinem Vortrag über schwierige Situationen in der Flüchtlingsarbeit. „Sie hatten gar nicht die Zeit dazu, sondern sind sofort eingesprungen.“ Viel Kompetenz sei auf diese Weise gewachsen.
„Ehrenamtliche sind keine Laien“, stellte die Berliner Theologin Astrid Giebel von der Diakonie Deutschland in ihrem Redebeitrag klar. „Sie bringen Kompetenz, Fachlichkeit und Lebenserfahrungen ein.“
Und sie lassen sich die Freude an ihrem Einsatz für andere nicht nehmen. Das zeigte eine spontane Umfrage, die Pastorin Barbara Montag von der Diakonie RWL als Moderatorin der Veranstaltung durchführte. Jeder, der sich jederzeit wieder so aktiv in die Flüchtlingsarbeit einbringen würde, sollte aufstehen. Es blieb kaum ein Stuhl besetzt.
"Ein erfüllter und abwechslungsreicher Tag neigt sich dem Ende zu.Schön, dass Sie da waren! Schön, dass es Sie gibt – Sie und die vielen Ehrenamtlichen vor Ort", sagte zum Schluss Kirchenrat Rafael Nikodemus, Dezernent der rheinischen Kirche über Migrationsfragen. "Sie sind es, die Nächstenliebe für die Geflüchteten erlebbar machen."