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16.12.2017

An der Krippe

Das aktuelle "Wort zum Sonntag" aus der Rundschau:

Wenn jetzt die Vorbereitungen für Heiligabend beginnen, hole ich bei uns zu Hause die Krippe aus dem Keller. Dann nehme ich die Figuren in die Hand und überlege jedes Jahr: Wer ist mir besonders wichtig?
Artikelbild Josef in der Krippe: oft unauffällig mehr im Hintergrund (Foto: Archiv KK Bonn) 

Ich glaube, dieses Mal ist es Josef. Er hat den Blick leicht gesenkt. Unter seinem breiten Hut sind seine Gesichtszüge kaum zu erkennen. Auch in der Weihnachtsgeschichte im Lukasevangelium ist er eine Randgestalt. Er hat keine Erleuchtung wie die Hirten oder die Weisen aus dem Morgenland. Er hat keine großartige Verheißung wie Maria. In vielen Krippen steht er deshalb wohl auch mehr im Hintergrund und wirkt anders als Maria fast wie ein Statist.

Dieser Josef kann einem als kritischen Zeitgenossen aber durchaus nahe sein, wenn einem das folkloristische Szenarium rund um so manches Krippenspiel eher fremd ist.

Dieser Josef ist für mich fast so etwas wie der Protestant an der Krippe. Er hat kein Weihrauch, keine Myrre mitzubringen. Er hat nur das Wort als Orientierung. Die alte Geschichte aus der Bibel von dem Messias, der sich ankündigt und die Welt verändern will. Das Wort des Engels, der ihm im Traum erscheint, und Mut macht anzunehmen, was erst einmal nicht seines ist.

Josef hadert. Josef zweifelt. Hätte man ihn vorher gefragt, er hätte auf all das rund um Bethlehem bestimmt liebend gerne verzichtet. Was soll dieser karge Stall? Der Besuch dieser Hirten? Was hat das mit Gott zu tun? Es ist würdelos, unwirtlich, wie das Leben leider manchmal ist. Was gibt es da zu glauben?

Manchmal ist der Glaube eine Nummer zu groß. Manchmal muss man handeln als wenn es wahr wäre – und dann schauen, was passiert. Genau das tut Josef. Er schützt Mutter und Kind. Und auf einmal spürt er, dass er nichts Besseres hätte tun können!

Josef an der Krippe, das ist wie eine Mutmachgeschichte für das Leben. Gerade, wenn es fragwürdig ist und schwer. Gut, dass der Josef da steht.
Joachim Gerhardt

Artikelbild Kölnische/Bonner Rundschau 

Joachim Gerhardt, Pfarrer an der Bonner Lutherkirche und Pressesprecher des Kirchenkreises Bonn, schreibt alle drei Wochen das "Wort zum Sonntag" in der Gesamtausgabe der Kölnischen/Bonner Rundschau, auf Seite 4 in der der großen Tageszeitung in der Köln-/Bonner Region. Hier erfahren Sie mehr: www.rundschau-online.de