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12.10.2019

Gott ist gegenwärtig (eg 165)

Choralandacht | 12.10.2019 | 00:00 Uhr

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Choralandacht | Beese

Musik 1: Track 11 „Gott ist gegenwärtig“ Strophen 1 und 2, CD: Die größte Choräle aus fünf Jahrhunderten, Komponist: Wunderbarer König (EG 327), Texter: Gerhard Tersteegen (vor 1727) 1729, Chor: Das Solistenensemble (ERF-Studiochor &ERF-Studioorchester), Leitung: Gerhard Schnitter, Verlag: Hänssler Verlag 2008 im SCM-Verlag, LC-Nr.: 07224, Label: hänssler-music, Best.Nr.: Nr.: 97.072, ASIN: B002K1YO0E (overvoiced)

1) Gott ist gegenwärtig.

Lasset uns anbeten

und in Ehrfurcht vor ihn treten.

Gott ist in der Mitte.

Alles in uns schweige

und sich innigst vor ihm beuge.

Wer ihn kennt,

wer ihn nennt,

schlag die Augen nieder;

kommt ergebt euch wieder.

2) Gott ist gegenwärtig,

dem die Cherubinen

Tag und Nacht gebücket dienen.

Heilig, heilig, heilig!

Singen ihm zur Ehre

aller Engel hohe Chöre.

Herr, vernimm

unsre Stimm,

da auch wir Geringen

unsre Opfer bringen.

Sprecherin: „In dem Jahr, als der König Usia starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron, und sein Saum füllte den Tempel. Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel […] Und einer rief zum anderen und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll!“

Autor: Wir schreiben das Jahr 736 v. Chr. Dem Propheten Jesaja gehen die Augen auf. In einer Vision öffnet sich ihm der Blick in den himmlischen Thronsaal Gottes. Offensichtlich schlägt ihm jetzt wohl seine letzte Stunde, so glaubt er wenigstens: „Weh mir, ich vergehe! […;] denn ich habe den König, den Herrn Zebaoth, gesehen mit meinen Augen“.

Gott, der Heilige und Allmächtige! Seine Ehre und Herrlichkeit sind selbst für den Himmel zu groß. Er kann sie nicht fassen. Mit ungeheuerlicher Wucht prägt dieses Bild die Glaubensvorstellung von Juden, Christen und Muslimen bis heute. Es ruft gegensätzliche Reaktionen hervor. Die einen sagen: Nein, mit religiösen Allmachtsgedanken will ich nichts zu tun haben. Die anderen sagen: Erst wenn ich ganz von mir selber absehe, werde ich Frieden finden – in Gott.

Musik 2= Musik 1: Track 11 „Gott ist gegenwärtig“ Strophe 3

3) Wir entsagen willig

allen Eitelkeiten,

aller Erdenlust und Freuden;

da liegt unser Wille,

Seele, Leib und Leben

dir zum Eigentum ergeben.

Du allein

sollst es sein,

unser Gott und Herre,

dir gebührt die Ehre.

Autor: Wir sind jetzt im Jahre 1729 n. Chr. 2000 Jahre nach der Vision des Propheten Jesaja schreibt der Liederdichter Gerhard Tersteegen ein geistliches Lied. Darin erweist er der Berufungsvision des Jesaja seine Reverenz. Bis heute steht es als Eingangslied für den Gottesdienst im Evangelischen Gesangbuch und wird gern von der Gemeinde gesungen.

Musik 3= Musik 1: Track 11 „Gott ist gegenwärtig“ Strophe 6

6) Du durchringest alles;

laß dein schönstes Lichte,

Herr berühren mein Gesichte.

Wie die zarten Blumen

willig sich entfalten

und der Sonne stille halten,

laß mich so

still und froh

deine Strahlen fassen

und dich wirken lassen.

Autor: „Ich in dir, du in mir“ – Tief in der mittelalterlichen Mystik verankert ist diese Erfahrung. Hier schlägt das Herz Gerhard Tersteegens. Die unmittelbare Gottesnähe ist das Ziel der frommen Seele.

Sprecherin: „Wie die zarten Blumen willig sich entfalten und der Sonne stille halten, lass mich […] deine Strahlen fassen und dich wirken lassen.“

Autor: Gott wirkt unmittelbar an der Seele eines Menschen. Das schafft Freiheit, ein freies Gewissen in Gott, frei aber auch gegenüber jedem menschlichen Anspruch, auch dem Machtanspruch der Kirche. In einer Sammlung christlicher Lebensbilder würdigt Tersteegen katholische Christen als wahrhaft evangelische Vorbilder. In einer erbetenen Veröffentlichung setzt er sich kritisch mit den freigeistigen Ansichten König Friedrichs des Großen auseinander. Den Gottesdienst in der Petrikirche meidet er. Stattdessen tritt er als freier Erweckungsprediger auf und macht damit den Pfarrern offen Konkurrenz.

Musik 4= Musik 1: Track 11 „Gott ist gegenwärtig“ Strophe 7

7) Mache mich einfältig,

innig, abgeschieden,

sanft und still in deinem Frieden;

mach mich reines Herzens,

daß ich deine Klarheit

schauen mag in Geist und Wahrheit;

laß mein Herz

überwärts

wie ein‘ Adler schweben

und in dir nur leben.

Autor: Die Mystik Gerhard Tersteegens ist immer an die Schrift gebunden und von der Schrift geleitet. Sein Bibelverständnis hat er ausführlich und eindrücklich begründet.

Und dennoch: Ich empfinde eine bleibende Fremdheit: Mit seinem eigenen Blut hat er sich in einem bis heute erhaltenen „Blutbrief“ Jesus verschrieben.

Die normale Kirchengemeinde mit ihren Unzulänglichkeiten, das vorläufige und zerbrechliche Glück des Durchschnittsmenschen, die sinnlichen Freuden an der Schöpfung,– sie alle genügen seinen Ansprüchen nicht und müssen sich mit einem Platz bestenfalls in der zweiten Reihe begnügen.

Immerhin: der ursprüngliche Titel des Liedes heißt: „Erinnerung der herrlichen und lieblichen Gegenwart Gottes.“ Da finde ich mich wieder und sage: Lieber Gerhard Tersteegen, danke für diese Erinnerung!

Musik 5= Musik 1: Track 11 „Gott ist gegenwärtig“ Strophe 1

1) Gott ist gegenwärtig.

Lasset uns anbeten

und in Ehrfurcht vor ihn treten.

Gott ist in der Mitte.

Alles in uns schweige

und sich innigst vor ihm beuge.

Wer ihn kennt,

wer ihn nennt,

schlag die Augen nieder;

kommt ergebt euch wieder.

Literatur:

Kellermann, Ulrich, Gerhard Tersteegen. Der Mülheimer Mystiker und die Macht der Liebe Gottes. Ein Tersteegen-Lesebuch zum 250. Todesjahr. Dem Andenken des Mülheimer Tersteegenforschers Heinz Hohensee