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21.02.2017

Mit Luther unter den Narren

Karneval

Artikelbild Anlässlich des 500. Reformationsjubiläums: Superintendentin Henrike Tetz mit Jacques Tilly, der den evangelischen Karnevalswagen entworfen hat. Foto: Sergej Lepke 
Präses, Düsseldorfs Superintendentin und Kölns Stadtsuperintendent fahren "vergnügt, erlöst, befreit, evangelisch" im Düsseldorfer Rosenmontagszug mit. 500. Reformationsjubiläum: Zu diesen Jahrtausendereignis feiern auch zahlreiche rheinische Gemeinden vergnügt, erlöst, befreit. Dazu gibt es die Social-Media-Aktion #jeck500.
Artikelbild Unter #jeck500 sind die Jecken im Rheinland eingeladen, Fotos aus dem Karneval in den Sozialen Medien zu posten. 

„Karneval und Rosenmontagszug gehören zum Rheinland wie Martin Luther zur Reformation“, sagt der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski. „Da liegt es nahe, ganz im Sinne Luthers dem Volk nicht nur aufs Maul, sondern auch aufs Brauchtum zu schauen und dabei fröhlich zu präsentieren, warum wir Protestanten ,vergnügt, erlöst, befreit' sind, wie es im Motto der Evangelischen Kirche im Rheinland zum Jubiläumsjahr der Reformation heißt.“

Entsprechend mischen Protestantinnen und Protestanten im diesjährigen Straßenkarneval kräftig mit und feiern selbstbewusst und zugleich selbstironisch den Beginn der reformatorischen Umwälzungen vor 500 Jahren. Im Zentrum steht dabei naturgemäß der Reformator Martin Luther (1483-1546), der teils als überlebensgroße Figur im Rosenmontagszug mitfährt.

Im Rheinland starten gut zwei Dutzend Kirchengemeinden mit Zehntausenden Gummibär-Tütchen auf die Zug-Strecken, bedruckt mit dem rheinischen Motto zum Reformationsjubiläum „Ich bin vergnügt, erlöst, befreit“.

Begleitet wird das Ganze im Rheinland von einer Social-Media-Aktion. Unter dem Hashtag #jeck500 verbreiten die Kirchengemeinden Fotos von ihren Karnevaleinsätzen auf Facebook, Twitter und Co. Die Fotos werden zusätzlich auf einer Social-Media-Wall zu sehen sein. Diese ist unter der Kurzadresse www.ekir.de/jeck500  zu erreichen.

Kölner im Sprachkurs

In Düsseldorf fährt die evangelische Kirche erstmals mit einem eigenen Wagen im Rosenmontagszug mit. Er ist in zwei Fußgruppen eingebettet und wurde vom wohl bekanntesten Wagenbau-Künstler in Deutschland, Jacques Tilly, gestaltet. Vom Wagen lassen Präses Manfred Rekowski und Düsseldorfs Superintendentin Henrike Tetz Kamelle aufs närrische Volk regnen lassen. "Ich freue mich drauf, das wird toll", sagt die Superintendentin, die Kölns Stadtsuperintendent Rolf Domning eingeladen hat, mit zu fahren. Alaaf-Rufe im Helau-Land? Tetz: "Er freut sich und macht auch schon einen Sprachkurs."

Im Blick auf Luthers 95 Thesen, an die der Düsseldorfer Wagen u.a. erinnert, sagt die Superintendentin: "Die wichtigste These lautet: Der wahre Schatz der Kirche ist das Evangelium." Die Reformation gelte es zu feiern. "Und wann feiern wir im Rheinland? Am Rosenmontag."

Fröhlicher Furz

Auch an zahlreichen anderen Orten in Deutschland würdigen Karnevalisten das 500. Reformationsjubiläum. Aber nur an zwei Orten - neben Düsseldorf - haben Protestantinnen und Protestanten einen Karnevalswagen. In Mainz hält ein 3,40 Meter hoher Styropor-Luther anstelle der 95 Thesen „Weck, Worscht un Woi“ (Brötchen, Fleischwurst und Wein) in der Hand und wird von einem Posaunenchor begleitet, der eine Fastnachts-Version des Luther-Chorals „Ein feste Burg ist unser Gott“ spielt. 

Auf einem Mottowagen in Braunschweig schneidet Luther mit einer riesigen Schere die Fäden einer Marionette durch, um die Menschen seiner Zeit symbolisch von ihren Ängsten vor dem Tod und dem Ablasshandel zu befreien. Als Kamelle werden „Lutherbonbons“ geworfen - wie auch in Mainz, wo die Karnevalisten zudem Playmobil-Lutherfiguren an Kinder verteilen.

„Virus des rheinischen Frohsinns befällt auch die evangelische Existenz“

Die heutige unbeschwerte Verbindung von Karneval und Reformation ist alles andere als selbstverständlich. Jahrhundertelang haben Protestantinnen und Protestanten dem Karnevalstreiben getrotzt, erinnern die Theologen Detlev Prößdorf (Leverkusen) und Harald Schroeter-Wittke im 2002 erschienenen Buch „Rheinische Karnevalstheologie“: Die Reformatoren setzten auf geistliche Neubesinnung und auf die Beseitigung von Missständen. Die kirchlichen Fastengebote für die Zeit ab Aschermittwoch wurden als reine Äußerlichkeiten skeptisch beurteilt.

Das galt erst recht für die Ausschweifungen der ausgelassenen Karnevalsfeiern, in denen die Menschen vor der fleischlosen Fastenzeit noch einmal richtig Spaß haben wollten mit Narrenfesten, Schlemmen, Musik, Tanz und Schauspiel. „Doch seit einigen Jahren befällt der Virus des rheinischen Frohsinns auch zunehmend die evangelische Existenz", stellen Prößdorf und Schroeter-Wittke fest.

„Endlich frei für Narretei“

So gibt es in Köln seit 1997 alle zwei Jahre eine protestantische Karnevalssitzung und in einer Reihe von Kirchengemeinden werden an den „tollen Tagen“ spezielle Karnevalsgottesdienste gefeiert - mit Verkleidung, Tanz, Sketchen und gereimter Predigt. „Ne Feste Burg - wahrer Jott un wahrer Minsch“ ist einer der kölschen Gottesdienste in diesem Jahr überschrieben. Zur Tradition gehört inzwischen auch, dass das Kölner Dreigestirn vom evangelischen Stadtsuperintendenten empfangen wird.

Immer wieder aufgegriffen werden im diesjährigen Karneval die berühmten 95 Thesen Luthers. So steht auf einem Karnevalsorden im hessischen Seligenstadt: „1517-2017. Für Luthers Thesen ist es Zeit gewesen. Helau“. Auf dem Braunschweiger Motivwagen zu den Reformationsthesen prangen fünf „Thesen der Gegenwart“. Eine davon versinnbildlicht das heutige entspannte Verhältnis der Protestanten zum Karneval: „Endlich frei für Narretei.“