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22.12.2016

Keine Zeit fürs Heimweh

Nes Ammim

Artikelbild In Galiläa verbringen Berit Hoffmann (li.) und Judith Cantu Flores Reimann die Weihnachtszeit. Neun Monate leisten sie Freiwilligendienst im christlichen Dorf Nes Ammim 
Judith Cantu Flores Reimann und Berit Hoffmann feiern Weihnachten und Chanukka im christlichen Dorf Nes Ammim in Israel. Die beiden 18-Jährigen aus Mülheim an der Ruhr haben via Skype von ihrem Freiwilligendienst und dem Miteinander der Religionen in dem internationalen Dialog- und Begegnungszentrum bei Haifa erzählt. 

Tannenzweige sind in den Avocado- und Olivenhainen in der Region von Galiläa nicht zu finden. Judith Cantu Flores Reimann und Berit Hoffmann haben daher den Aufenthaltsraum des Begegnungszentrums im israelischen Nes Ammim mit Lichterketten und einem kleinen Weihnachtsbaum aus Kunststoff geschmückt. Die beiden 18-Jährigen leisten derzeit einen neunmonatigen Freiwilligendienst im christlichen Dorf Nes Ammim nördlich von Haifa.

Die beiden jungen Frauen finden es spannend, das Weihnachtsfest fast viereinhalbtausend Kilometer von zu Hause entfernt zu feiern. Und sie freuen sich vor allem über die Gemeinschaft, in der sie die Feier begehen. „Nes Ammim“ ist hebräisch und bedeutet übersetzt „Zeichen für die Völker“. Die internationale Siedlung ist in den 60er-Jahren gegründet worden, die Initiative dafür ging von Europäern aus, die nach den Schrecken des Nationalsozialismus aktive Versöhnungsarbeit zwischen Christen und Juden, Europäern und Israelis leisten wollten. Das Projekt wird auch von der Evangelischen Kirche im Rheinland unterstützt.

Wie Milch und Fleisch getrennt werden

Das Weihnachtsfest feiern Judith Cantu Flores Reimann und Berit Hoffmann nun gemeinsam mit allen Angestellten und Freiwilligendienstlern in Nes Ammim. „Menschen jüdischen und muslimischen Glaubens sind ebenso eingeladen, und wir erzählen dann, was uns das Christfest bedeutet“, sagt Judith Cantu Flores Reimann. Zum zeitgleich gefeierten jüdischen Chanukka sind die deutschen Freiwilligen wiederum ebenso herzlich eingeladen. Und dabei werden sie dann einiges über dieses Lichterfest erfahren, bei dem die Juden der Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem gedenken.

Mit den beiden jungen Frauen sind zurzeit 23 weitere Freiwillige aus den Niederlanden, aus Deutschland oder der Schweiz im Hotel, im Konferenzzentrum oder beim technischen Service von Nes Ammim im Dienst. Judith Cantu Flores Reimann und Berit Hoffmann, derzeit einzige Freiwillige aus der Evangelischen Kirche im Rheinland, arbeiten im Hotel, in der Wäscherei, kellnern oder helfen bei der Organisation der Unterkünfte für die Freiwilligen.

Beim Service des Hotels erleben sie unter anderem mit, wie koschere Mahlzeiten zubereitet werden: „Morgens und abends gibt es Gerichte mit Milch und mittags Mahlzeiten mit Fleisch, das Geschirr wird dann jeweils separat gespült und in verschiedenen Schränken aufbewahrt“, berichtet Judith Cantu Flores Reimann.

Vorbehalte gegen die Europäer sind Geschichte

„Ich finde es sehr wichtig, dass man unterschiedliche Religionen und Kulturen kennenlernt und sich für den Dialog zwischen ihnen engagiert“, beschreibt die 18-Jährige ihre Motivation für den Freiwilligendienst in Israel. Und das ist bis heute auch der Grundgedanke des Dorfes Nes Ammin: Die Volontäre setzen mit ihrer Arbeit die Gründungsidee von Verständigung und Frieden fort.

„Als Deutsche sind wir hier herzlich aufgenommen worden“, sagt Judith Cantu Flores Reimann. Bei Gründung der Siedlung gab es damals noch Vorbehalte gegen die sich ansiedelnden Europäer – immerhin lebten in nächster Nähe viele Opfer der Nationalsozialisten. Nach vielen Diskussionen und langen Gesprächen konnten im Jahr 1979 eine - vorerst begrenzte Zahl - deutscher Volontäre ihren Dienst in Nes Ammim aufnehmen.

Bunker und bewaffnete Soldaten

„Wir sind sehr gut auf unseren Dienst vorbereitet worden“, meint Berit Hoffmann. So gebe es Vorseminare und ein begleitendes Studienprogramm, bei denen das Judentum, die Geschichte Israels, der Holocaust und heutige Formen des Antisemitismus behandelt wurden. „Land und Leute lernen wir auch bei Ausflügen kennen“, erzählt sie. „Hier ist außerdem immer jemand, mit dem man sich austauschen, mit dem man musizieren oder etwas unternehmen kann.“

Heimweh komme da gar nicht erst auf – ebenso wenig die Angst vor gewalttätigen Auseinandersetzungen. „Ja, es gibt Kriege und Krisenherde in der Region“, sagt Judith Cantu Flores Reimann. Auf dem Gelände des Dorfes stünden daher Bunker bereit und an Bushaltestellen und auf Marktplätzen patrouillierten bewaffnete Soldaten.

Doch die beiden Freiwilligen aus dem Rheinland erleben ebenso, wie die Menschen in Israel mit der drohenden Gewalt umgehen: „Sie leben seit Generationen damit, und lassen sich davon in ihrem Alltag und in ihren Gedanken nicht negativ beeinflussen.“