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18.08.2018

Getrost kleiner werden

Kirche in WDR3 | 18.08.2018 | 05:04 Uhr

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Kirche in WDR3 | Koppe-Bäumer

Guten Morgen. Sie wollten Weltmeister werden. Ich wollte spannende Fußballspiele im Fernsehen sehen und mit der deutschen Mannschaft zittern und mich freuen. Sie flogen nach der Vorrunde wieder zurück von Moskau nach Frankfurt, als letzte ihrer Gruppe. Ich sah weiter Fußball, freute mich über plötzliche Torschüsse, gelungene Pässe und Torwarte, die Elfmeter-Bälle parierten. Wie die deutschen, so mussten auch die Spieler aus Argentinien, Spanien und Portugal Niederlagen einstecken. Sie, die Siege gewöhnt sind, gratulierten der anderen Mannschaft und mussten früh wieder nach Hause fliegen. Diese Weltmeisterschaft in Russland war nicht ihre Hoch-Zeit. Im Gegenteil, sie spürten, dass sie ihren Zenit überschritten hatten und andere erfolgreich waren. Japaner, Nigerianer und Russen spielten mit Leidenschaft und siegten und zeigten, auch wenn sie verloren: In uns liegt noch mehr Potenzial. Wir werden noch wachsen.

„Er muss wachsen und ich muss kleiner werden.“ Johannes der Täufer spricht das aus, als er Jesus sieht. Johannes hat ein Gespür für sich. Er merkt, dass er seinen Zenit überschritten hat. Und dass von jetzt an Jesus aus Nazareth an Bedeutung wachsen würde.

Dabei ist Johannes sehr berühmt. Vor allem für seinen einfachen Lebensstil. Er lebt in der Wüste, ernährt sich von wildem Honig, trinkt wenig, kleidet sich mit Tierfellen und rasiert sich nicht. Ein Aussteiger, der andere auffordert umzusteigen. Er kann so reden, dass viele ihm zuhören und tun wollen, was er sagt. In der Hoch-Zeit seines Lebens kündigt er nun einen anderen an, der nach ihm kommen wird.

Dieser andere ist Jesus aus Nazareth. Er kommt zu Johannes und lässt sich von ihm taufen. Johannes sieht ihn und stellt fest: Er muss wachsen und ich muss kleiner werden. Johannes hat erkannt: Meine Rolle war, Botschafter und Ankündiger zu sein - darin war ich groß. Jetzt aber ist der da, den ich angekündigt habe. Und ich muss kleiner werden und mich zurücknehmen.

Ein mutiger Schritt, auf eigene Größe zu verzichten und einem anderen zu gönnen, groß zu sein.

Nicht nur in der Bibel und beim Fußball passiert so ein Rollenwechsel. Wer in seinem Beruf alt wird, spürt: Junge kommen nach und haben Erfolg. Werden geschätzt, weil sie frischen Wind mitbringen und sich mit Energie, Sachverstand und neuen Ideen einsetzen. Wer nur noch wenige Jahre bis zum Ruhestand hat, merkt vielleicht, dass die Energie nachlässt, dass Routine den Arbeitsalltag beherrscht und dass Neues nur noch selten vorkommt. Wehmut kommt auf, Gedanken an früher, als ich zu den Jungen im Kollegenkreis zählte,

als für mich alles neu und aufregend war und ich so viel Kraft hatte. Dann kann es gut tun, dem Beispiel von Johannes zu folgen und zu akzeptieren: Die Jungen müssen wachsen und ich darf abnehmen – ja, ich darf. Ich darf mich zurücknehmen, kann mein Wissen und meine Erfahrung weitergeben, den Jungen den Einstieg erleichtern und ich darf mich ausruhen und getrost kleiner werden.

Einen klaren Blick für sich selbst und andere wünscht Ihnen Pfarrerin Kathrin Koppe-Bäumer aus Meschede .

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