Kontakt | Impressum

Links zur Aggregation:

Metadaten:

Dem Virus zum Trotz auf „Tour de Wesel“

Ferienprogramme in Zeiten von Corona

Artikelbild Ein Radausflug in Zeiten von Corona: Die "Tour de Wesel" führt in sieben Tagen einmal rund um den Kirchenkreis Wesel. 

„Die Sommerferien sind in vollem Gange. Eigentlich hat Jugendarbeit dann Hochsaison“, weiß Michaela Leyendecker, Synodale Jugendreferentin des Kirchenkreises Wesel. Doch dieses Jahr ist auch im Gebiet des Jugendreferats, das 14 Kinder- und Jugendhäuser umfasst, alles anders.

Der Segeltörn auf dem Ijsselmeer? Abgesagt. Die Reise nach Schweden? Abgesagt. Die Zeltfreizeit in Spanien? Abgesagt. Und die Kanutour auf der Weser? Ebenfalls abgesagt. Aufgeben oder Frust sei für sie und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter aber keine Option gewesen.

Deshalb wurde umgeplant. „Wir dachten, jetzt müssen wir was tun.“ Herausgekommen ist die „Tour de Wesel“, ein siebentägiger Radausflug. Gruppe eins ist seit Sonntag, 5. Juli, unterwegs. Zwei weitere folgen jeweils direkt im Anschluss.

Einmal rund um den Kirchenkreis

Bis zu 15 Kinder- und Jugendliche sind jeweils bei den Touren dabei. Der Startschuss fällt in Drevenack. Von dort aus geht es in 15 bis 50 Kilometer langen Etappen einmal um den Kirchenkreis. Der erste Stopp führt die Radgruppe nach Wesel.

„Dort haben wir am Sonntagabend die Zelte aufgeschlagen“, erzählt Leyendecker. Das ein oder andere Gemeindemitglied habe sich über die acht Zelte mitten in der Stadt auf der Kirchwiese gewundert. „Wir haben immer wieder von unserer Tour erzählt und alle fanden es eine tolle Idee“, ist Leyendecker glücklich.

Nach einer kurzen Nacht ging es weiter nach Haldern (Rees), wo die örtliche Kirchengemeinde die Gruppe willkommen geheißen hat. „Die ersten zwei Tage waren aufregend“, berichtet Leyendecker am späten Montagabend.

Sonne und Regen hätten sich abgewechselt. Die Gruppe sei ganz schön nass geworden. „Das hat der guten Laune aber keinen Abbruch getan.“ Sie hätten viel gesehen und erlebt. „Wir haben uns am Rhein gesonnt, Eis gegessen und sind gegen Wind und Regen angefahren.“

Stand-Up-Paddling und Feuerschlucken

Die Tour führt die Gruppen, deren Gepäck von einem Begleitfahrzeug transportiert wird, schließlich nach Xanten. „Dort herrscht eine schöne Urlaubsatmosphäre mit Eiscafés, Süd- und Nordsee und einer Jugendherberge direkt am See“, schwärmt Leyendecker.

Anschließend geht es hoch nach Isselburg, um dann über Hamminkeln und Marienthal nach Schermbeck zu radeln, ehe es am siebten Tag zurück nach Wesel geht. „Unser Kirchenkreis ist sehr großflächig. Die Jugendlichen kennen sicher nicht alles und können viel Neues entdecken.“ Dass die Jugendreferentin nicht zu viel verspricht, zeigt ein Blick aufs Programm: Es warten unter anderem ein Action Bound (eine digitale Schnitzeljagd) sowie ein Feuerschluck-Workshop, es wird Schlauchboot gefahren, mit dem Bogen geschossen, Stand-Up-Paddling und Eselreiten stehen an.

Unterstützt wird das Leiterteam bei den Aktionen und Spielen von Pfarrerinnen und Pfarrern sowie Ehrenamtlichen und Mitarbeitenden aus den Kirchengemeinden, die zum Teil auch fürs Essen sorgen. „So lernen junge Menschen unsere Kirche auch noch einmal von einer ganz anderen Seite kennen.“

Übernachtet wird überwiegend in Zelten. Dass das möglich ist, daran haben ebenfalls die Gemeinden einen erheblichen Anteil. Während Campingplätze abgelehnt hätten, Gruppen aufzunehmen, seien die Anfragen dort auf offene Ohren gestoßen. „Die Gemeinden besitzen oft große Wiesen und haben uns diese zum Campen bereitgestellt“, ist Leyendecker froh.

Ausnahmen gibt es dann aber doch: In Xanten, dem einzigen Ausreißer in den Kirchenkreis Kleve, werde nicht „im Freien“ übernachtet. „Hier haben wir noch einige Restbetten in der Jugendherberge ergattern können.“ Und die zweite Nacht hat die erste Rad-Gruppe wegen des Regens ausnahmsweise auf dem Dachboden des Gemeindehauses in Haldern verbracht.

Herausfordernde Planungen

Angelaufen sind die Planungen für die Tour laut Leyendecker im Mai. Bis das Angebot letztlich stand, seien eine Menge an Herausforderungen zu bewältigen gewesen. Schließlich gilt es, die Corona-Regelungen einzuhalten. „Das war durchaus schwierig. Die Schutzverordnungen haben sich ja immer wieder verändert.“ Das habe die Beteiligten durchaus verunsichert, gibt sie zu. Die größten Sorgen bereiteten demnach die Themen Hygiene, Abstand, Essen und Übernachtung.

Am Ende hätten die Lockerungen dann natürlich einiges erleichtert. So dürfe, anders als zu Beginn der Planungen, wieder gemeinsam gegessen werden. Eine Lösung wurde auch für die Körperpflege gefunden: Solarduschen samt Pop-Up-Zelten. „Wir haben uns aber beispielsweise dennoch entschieden, dass die Teilnehmenden keinen Abstand halten müssen, wir als Teamer uns aber möglichst zurückhalten.“

Tipps und ein Plädoyer für Jugendarbeit

Letztlich habe es somit für alles einen Weg gegeben – auch dank der Hilfe der Jugendämter und dem Gesundheitsamt. „Sie haben uns beim Hygienekonzept unterstützt und sehr ermutigt, das Angebot zu machen.“  Diesen Mut will Leyendecker an andere Jugendmitarbeiterinnen und Jugendmitarbeitern weitergeben.

„Wichtig ist, sich nicht alleine den Kopf zu zerbrechen, sondern bei den entsprechenden Stellen nachzuhaken“, rät sie. Das spare Zeit und man erhalte viele wichtige Hinweise und Anregungen. „Ich habe mir zum Beispiel viele Gedanken um die Finanzen gemacht. Am Ende hat der Kreis Wesel Fünf-Mann-Zelte gesponsert, in denen jetzt jeweils zwei Personen schlafen.“

Zudem seien sie und ihr Team auf Möglichkeiten gestoßen, Projektmittel zu beantragen und Geld zu akquirieren. „Mit der Kommune haben wir ausgehandelt, Feedback zum Zustand der Radwege zu geben. Dafür bekommen wir auch eine Förderung.“

Leyendecker ist sich bewusst, dass in der Jugendarbeit derzeit nichts „normal“ ist – und das noch eine Weile so bleiben wird. Dennoch liegt es ihr am Herzen, die Jugendarbeit wieder ins Rollen zu bringen. „Für junge Menschen ist mehr nötig als Schule.“ Sie müssten nach dem Lockdown mal wieder vor die Türe kommen, abseits von Schule und dem manchmal stressigen Elternhaus. „Da ist Jugendarbeit system- und zukunftsrelevant, der Bedarf ist groß“, betont sie.

Zahlen aus dem Kirchenkreis Wesel belegen das: „Normalerweise erreichen wir mit unseren Freizeiten mindestens 300 Kinder und Jugendliche. Da sieht man, was dieses Jahr wegbricht.“ Entsprechend sei auch die Nachfrage nach der „Tour de Wesel“ groß gewesen. „Wir hätten locker noch eine vierte und fünfte Gruppe vollbekommen“, sagt Leyendecker, die selbst in der ersten Woche mitradelt.