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13.08.2022

"Jesus Christus herrscht als König" eg 123

Choralandacht | 13.08.2022 | 00:00 Uhr

Alttext  

Musik 1: Choral Strophe 1

Titel: Jesus Christus herrscht als König; Komposition: Johann Adam Hiller; Text: Philipp Friedrich Hiller; Interpret: Kammerchor des Aachener Bachvereins; Leitung: Wolfgang Karius; Label: Carus; LC: Z2323

Sprecherin (overvoice):

Jesus Christus herrscht als König,

alles wird ihm untertänig,

alles legt ihm Gott zu Fuß.

Aller Zunge soll bekennen,

Jesus sei der Herr zu nennen,

dem man Ehre geben muss.

Autor: Ein Lied wie aus der Zeit gefallen. Könige gibt es nicht mehr viele. Sie herrschen nicht mehr, sie repräsentieren allenfalls. Es ist ihnen nicht mehr alles untertänig. Jesus Christus herrscht als König? Wie soll man sich das vorstellen?

Der Text stammt aus dem 18. Jahrhundert, das war eine Zeit absoluter Monarchien. Demokratie? Davon weiß der Choral noch nichts. Seine Herrschaftsvorstellungen sind noch ganz andere. Hat dieses Lied uns heute noch etwas zu sagen? Und was soll das wohl bedeuten, wenn jemand sagt: Da sind zwar Könige, die herrschen, aber eigentlich herrscht Jesus Christus?

Sprecherin (Strophe 2):

Fürstentümer und Gewalten,

Mächte, die die Thronwacht halten,

geben ihm die Herrlichkeit;

alle Herrschaft dort im Himmel,

hier im irdischen Getümmel

ist zu seinem Dienst bereit.

Autor: Schon damals stimmte das nicht. Schon zur Zeit des Pfarrers Philipp Friedrich Hiller, dem Dichter des Liedes, gaben die Mächtigen keineswegs Jesus „die Herrlichkeit“, sondern eher sich selbst. Schon damals waren bestimmt nicht alle Herrschenden auf der Erde „zu seinem Dienst bereit“.

Musik 1: Choral Strophe 3

Sprecherin (overvoice):

Gott ist Herr, der Herr ist Einer,

und demselben gleichet keiner,

nur der Sohn, der ist ihm gleich;

dessen Stuhl ist unumstößlich,

dessen Leben unauflöslich,

dessen Reich ein ewig Reich.

Autor: Gegen allen Augenschein will Philipp Friedrich Hiller die Machtverhältnisse im Himmel und auf Erden zurechtrücken. Es geht ihm um die himmlische Herrschaft Gottes. Gott allein ist Herr – ganz egal, wer hier auf Erden herrscht - und Jesus Christus ist ihm gleich. Hiller nennt seinen Choral „Lied von dem großen Erlöser“. Er bezieht sich dabei auf den Brief des Paulus an die Gemeinde in Ephesus. Dort ist von der überwältigend großen Kraft die Rede, die Gott allen verleiht, die sich zu ihm bekennen:

Sprecher: Diese Kraft ließ er auch an Christus wirksam werden: Er hat ihn von den Toten auferweckt und ihn an seine rechte Seite gesetzt – im Himmel, hoch über Mächten und Gewalten, Kräften und Herrschaftsbereichen. (Eph 1,20-21)

Autor: Das Oben und Unten ist klar, sagt Paulus. Himmelhoch über allem, was auf dieser Erde Macht und Gewalt ausübt, ist Gottes Macht. Auch die Mächtigen der Erde, auch die absoluten Herrscher, sind ihr absolut unterlegen - ob sie das nun wissen oder nicht, ob sie wollen oder nicht.

Könige herrschen zwar heute nicht mehr. Aber es gibt Diktatoren, die ihr Volk nicht weniger unterdrücken als die Monarchen damals. Einer dieser Herrscher hat sein Nachbarland brutal überfallen: Er kann es nicht ertragen, dass dort die Freiheit als zarte Pflanze keimt. Besonders empörend ist, dass der russische Diktator Putin einen Kirchenführer zur Seite hat, der seine Lügen und Gewaltverbrechen religiös rechtfertigt. Er will bestimmen, was das Heil ist und was die Erlösung.

Christus hat uns erlöst, nur er herrscht – davon ist Hiller überzeugt. Aus dieser Überzeugung lässt sich die Kraft zur Unabhängigkeit und zum Widerstand gewinnen.

Musik 1: Choral Strophe 5/6,

Sprecherin (overvoice):

Nur in ihm, o Wundergaben,

können wir Erlösung haben,

die Erlösung durch sein Blut.

Hört’s: das Leben ist erschienen,

und ein ewiges Versühnen

kommt in Jesus uns zugut.

Jesus Christus ist der Eine,

der gegründet die Gemeine,

die ihn ehrt als teures Haupt.

Er hat sie mit Blut erkaufet,

mit dem Geiste sie getaufet,

und sie lebet, weil sie glaubt.

Autor: Der Liederdichter weiß: Das Oben und das Unten sind aufeinander bezogen, Himmel und „irdisches Getümmel“ haben etwas miteinander zu tun. Krankheit, Schmerzen, Not und Leiden – all das gibt es auf der Erde. Er hat es selbst erlebt:

Sprecherin (Strophe 8):

Zwar auch Kreuz drückt Christi Glieder

Hier auf kurze Zeiten nieder

Und das Leiden geht zuvor.

Nur Geduld, es folgen Freuden;

Nichts kann sie von Jesus scheiden,

und ihr Haupt zieht sie empor.

Autor: Ist das nicht bloß eine Vertröstung auf ein besseres Jenseits? Dient das nicht dazu, die Armen ruhig zu halten, damit sie die Ungerechtigkeiten klaglos hinnehmen, unter denen sie leiden? Klingt so vielleicht das „Eiapopeia vom Himmel, womit man einlullt, wenn es greint, das Volk, den großen Lümmel“? So beschreibt es Heinrich Heine. Und fügt hinzu: „Ich kenne die Weise, ich kenne den Text, ich kenne die Herren Verfasser. Ich weiß, sie tranken heimlich Wein und predigten öffentlich Wasser.“ Und wenig später prägt Karl Marx sein bekanntes Wort von der Religion als „Opium des Volks“. Der Glaube also als Mittel der scheinbar angenehmen Betäubung, das die schlimme Wirklichkeit vergessen lässt. Und Karl Marx prägte sein bekanntes Wort von der „Religion als Opium des Volks“ – Glaube an ein besseres Jenseits als angenehme Droge: Die Ausgebeuteten sollen sich mit der Ausbeutung abfinden und nicht aufmucken.

Philipp Friedrich Hiller war kein Heuchler, der öffentlich Wasser predigte und heimlich Wein trank. Er war ein frommer Pietist, der sein Lied aus tiefer Glaubensüberzeugung geschrieben hat. Vielleicht hat ihn getröstet, dass alles Leiden begrenzt ist. Denn er kannte Not und Krankheit: Das magere Pfarrergehalt reichte kaum, um seine große Familie mit elf Kindern zu versorgen. Mit Anfang 50 erkrankte er an einem Halsleiden, konnte fast nicht mehr sprechen und nicht mehr predigen. Darunter hat er, der Pfarrer aus Berufung, sehr gelitten. Doch der heutige Choral ist eine Reaktion auf die Krankheit, denn er verlegte sich aufs Schreiben und verfasste zahlreiche Lieder. Elf Strophen des bekanntesten stehen im Evangelischen Gesangbuch. Das Original hat 26 Strophen. Da wird besonders deutlich, was Hiller von den Mächtigen seiner Zeit gehalten hat:

Sprecherin:

Trachten irdische Monarchen, dieses Herdlein anzuschnarchen; o sein Hirte lacht dazu. Er lässt diese kleinen Großen sich die Köpfe blutig stoßen, und den Schafen gibt er Ruh.

Die Herrscher seiner Zeit? Das sind bloß die „kleinen Großen“. So sieht der Dichter die Welt mit den Augen des Glaubens. Sein Gottesbild entspricht den Machtstrukturen seiner Zeit, und doch: Er blickt hinter die Kulissen des Welttheaters. Was er da sieht, wäre nicht auszuhalten ohne das tiefe Vertrauen, das in diesem Glauben gründet. Diesen Glauben will er teilen, mitteilen:

Sprecherin (Strophe 11)

Ich auch auf der tiefsten Stufen,

ich will glauben, reden, rufen,

ob ich schon noch Pilgrim bin:

Jesus Christus herrscht als König,

alles sei ihm untertänig;

ehret, liebet, lobet ihn!

Musik 2 (instrumental)

Album: Klingendes Gesangbuch. Von Anfang bis Ende; Track 13; Label: MS Classic 2008; LC: 10551.

Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth