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„Frieden muss erstritten und verteidigt werden“

Kanzelabkündigung zum 75. Jahrestag des Kriegsendes

Artikelbild Superintendentin Dr. Ilka Werner 

„Der Frieden, der nach dem Ende des Krieges begann, ist nicht einfach da. Er muss erarbeitet, erstritten, geübt und verteidigt werden.“ Mit diesen Worten mahnt die Solinger Superintendentin Dr. Ilka Werner in ihrer Kanzelabkündigung für den kommenden Sonntag aus Anlass des 75. Jahrestages des Kriegsendes am kommenden 8. Mai zum fortdauernden Einsatz für den Frieden. Die Theologin erinnert an die Aufforderung Jesu aus der Bergpredigt: „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“

Der Frieden sei ein langer Weg, der mit dem 8. Mai 1945 begonnen habe. Diesen Tag der Befreiung hätten die Menschen in Deutschland durchaus unterschiedlich erlebt, je nachdem „ob die eigene Familie zu den Verfolgten oder den Verfolgern“ gehörte. Es habe gedauert, so Werner, „die mörderische nationalsozialistische Ideologie aus den Köpfen und Herzen zu vertreiben. Und manchmal gelang das bis heute nicht.“ Darum sei es die bleibende Herausforderung „zu begreifen, dass Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus und jede gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit brandgefährlich sind für die ganze Gesellschaft“. Auch die Frage, wie Deutschland seiner weltweiten Verantwortung für den Frieden gerecht werde, sei nach wie vor offen. Dr. Werner: „Wir müssen immer noch lernen, was alles dazugehört zu diesem Frieden.“

Die Kanzelabkündigung, die die Superintendentin auch am kommenden Freitag in einer Abendandacht lesen wird, die zum Jahrestag des Kriegsendes ab 20. 00 Uhr online aus der Dorper Kirche gestreamt wird, endet mit Klage und Gebet: „Heute klagen wir Gott die Opfer aller Kriege, der vergangenen und gegenwärtigen. Und wir beten: Du Gott des Friedens, heilige uns durch und durch, dass wir Friedenstifterinnen und Friedensstifter werden.“
Die Friedensandacht am kommenden Freitag ist im Netz über klingenkirche.de und evangelisch-dorp.de zu erreichen oder direkt auf Youtube unter den Suchbegriffen „evangelisch dorp“.

 

Kanzelabkündigung für die 4. Woche der Osterzeit zum 8. Mai 2020

„Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen“ (Matthäus 5, 9)

Liebe Gemeinden in Solingen, liebe Schwestern und Brüder!

Am 8. Mai 1945 ging in Europa der zweite Weltkrieg zu Ende. Schon vorher, am 17. April 1945, kamen die Amerikaner nach Solingen. Die Waffen schwiegen, das Sirenengeheul verstummte.

Es war Ruhe.

Der Friede begann. Er war nicht einfach da. Friede muss erarbeitet und erstritten werden. Es dauerte, bis die Not bewältigt und das Überleben gesichert war. Es dauerte, bis die sichtbaren Wunden verheilten. Es dauerte, mit den unsichtbaren Verletzungen so einigermaßen leben zu lernen. Es dauerte, die mörderische nationalsozialistische Ideologie aus den Köpfen und Herzen zu vertreiben; und manchmal gelang das bis heute nicht. Es dauerte zu begreifen, wie unterschiedlich Befreiung aussehen und erlebt werden konnte, je nachdem, ob die eigene Familie zu den Verfolgten oder den Verfolgern gehörte. Es dauerte, das Vertrauen der Nachbarländer neu zu verdienen; und noch die Kriegsenkelgeneration schluckte, wenn sie beim Schüleraustausch als Nazis verspottet wurde.

Die Zeit verging, viele Jahre tiefen Friedens, und es dauert noch, dass wir in unserem Land entdecken, wie dankbar wir dafür sein können. Es dauert auch noch, dass wir unsere weltweite Verantwortung für den Frieden wahrnehmen. Eher bekommen wir manchmal den Eindruck, als wollten wir in Deutschland uns davonstehlen aus dieser Verantwortung und endlich wieder wie alle anderen sein. Es dauert noch zu begreifen, dass Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus und jede gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit brandgefährlich sind für die ganze Gesellschaft.

All das zeigt: Der Friede, der nach dem Ende des Krieges begann, ist auch heute nicht einfach da. Er muss erarbeitet, erstritten, geübt und verteidigt werden. Und wir müssen immer noch lernen, was alles dazugehört zu diesem Frieden.

Heute klagen wir Christenmenschen Gott die Opfer aller Kriege, der vergangenen und gegenwärtigen.
Wir klagen ihm die Gefallenen, die Vermissten, die Ermordeten, die an Leib und Seele Versehrten und die, die nur scheinbar davongekommen und lebenslang gezeichnet sind.
Wir klagen Gott ihren Schmerz, ihr Leid, ihre verlorenen Lebenspläne und ihre zerstörten Hoffnungen.

Und wir beten: Du Gott des Friedens, heilige uns durch und durch, dass wir Friedenstifterinnen und Friedensstifter werden. Amen.

Mit nachdenklichen Grüßen, Ihre
Pfarrerin Dr. Ilka Werner
Superintendentin im Kirchenkreis Solingen