Kontakt | Impressum

Links zur Aggregation:

Metadaten:

04.09.2020

„Jugendliche haben grundsätzlich Spaß an der Gremienarbeit“

Artikelbild  

Verena Haveresch war eine von sechs Studierenden, die für die rheinischen Kirche eine Onlinebefragung zur Beteiligung junger Menschen an kirchlichen Entscheidungen umgesetzt haben. Im Interview spricht die 29-Jährige über unerwartete Ergebnisse, Handlungsempfehlungen und die Hoffnung auf Veränderung.

Von der erstmals vorgeschalteten Jugendsynode ging bei der Landessynode 2019 der Beschluss aus, dass sich die rheinische Kirche zu besseren Beteiligungsmöglichkeiten junger Menschen an ihren Entscheidungen verpflichtet. In der Folge erhielt die Gender- und Gleichstellungsstelle der Evangelischen Kirche im Rheinland den Auftrag, wirksame und überprüfbare Qualitäts- und Messkriterien zur Partizipation junger Menschen in Gremien zu entwickeln. Im Frühjahr dieses Jahres führte sie daher eine Onlinebefragung in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW durch. Die Broschüre „Jugend will mitgestalten“ mit allen Ergebnissen und Handlungsempfehlungen steht im Internet zum Download zur Verfügung. Eine der sechs Studierenden, die mit dem Projekt betraut waren, ist Verena Haveresch.

Frau Haveresch, die Ergebnisse der Onlinebefragung zu Mitwirkungsmöglichkeiten Jugendlicher in kirchlichen Gremien liegen vor. Auf welcher Datenbasis beruhen sie?

[caption id="attachment_670" align="alignleft" width="205"]Verena Haveresch Verena Haveresch[/caption]

Verena Haveresch: Wir haben ein kostenloses Onlinebefragungs-Programm verwendet und dafür in Zusammenarbeit mit der Gender- und Gleichstellungsstelle der rheinischen Kirche einen Fragebogen erstellt. Außerdem wurden 13 Interviews mit jungen Menschen und kirchlichen Funktionsträgerinnen und -trägern geführt. Der Fragebogen wurde 1101-mal aufgerufen, 810 Personen haben ihn schließlich auch vollständig ausgefüllt. 600 von ihnen gehörten dabei unserer Zielgruppe der 16- bis 27-Jährigen an und sind daher in die Auswertung eingeflossen.

Wie offen war die Befragung?

Haveresch: Jeder und jede konnte daran teilnehmen. Wir haben aber überwiegend junge Menschen aus der rheinischen Kirche befragt, weil wir auf viele kirchliche Mailverteiler zurückgegriffen haben. Am Ende waren 73 Prozent der 600 Teilnehmenden evangelisch.

Dass Gremienarbeit für Jugendliche eher weniger attraktiv ist, gilt fast als Allgemeinplatz. Gab es in der Hinsicht überraschende Ergebnisse?

Haveresch: Wir waren sehr überrascht, dass die Jugendlichen grundsätzlich Spaß an der Gremienarbeit haben und daran vor allem die Gemeinschaft schätzen. Sie haben auch gute Vorstellungen davon, was Gremienarbeit überhaupt ist. Gar nicht gewundert haben wir uns über ihre Kritik an der Methodenarmut bei den Sitzungen. Da gibt es einen großen Wunsch nach mehr Vielfalt. Und die jungen Menschen wünschen sich mehr Wertschätzung von anderen Altersgruppen und ein stärkeres Wir-Gefühl.

Bei der Presbyteriumswahl im März waren nur 4,8 Prozent der gewählten Presbyterinnen und Presbyter zwischen 18 und 29 Jahren alt, obwohl ihr Anteil unter den wählbaren Gemeindemitgliedern bei 20,3 Prozent liegt. Was steht der Gremienarbeit im Wege?

Haveresch: Vor allem die fehlende Flexibilität. Sitzungen finden häufig statt, wenn Jugendliche zur Schule gehen müssen oder Vorlesungen haben. Und zumindest bis zum Beginn der Corona-Pandemie bestanden auch so gut wie keine Möglichkeiten zur Onlineteilnahme. Außerdem sitzen in den Nominierungsausschüssen zu wenig junge Menschen.

Auf der Basis der Ergebnisse hat es eine Reihe von Handlungsempfehlungen gegeben. Welche sind die wichtigsten?

Haveresch: Ganz wichtig ist die Stärkung des Wir-Gefühls, zum Beispiel durch Hospitationen und Projekte, die für verschiedene Generationen angelegt sind, um gemeinsam viele positive Erfahrungen zu sammeln. Man könnte die Amtszeit jüngerer Presbyterinnen und Presbyter auf zwei Jahre verkürzen und ein Kern- und Projektpresbyterium schaffen. Und das bisherige Prinzip der Einmütigkeit erschwert jugendliches Querdenken.

Und bei der kirchlichen Kommunikation hapert es offenbar auch.

Haveresch: Als wir sechs Studierenden uns mit dem Internetauftritt der rheinischen Kirche befasst haben, haben wir uns zunächst gar nicht zurechtgefunden und nach den Themen junger Menschen gesucht. Auch Messengerdienste wie WhatsApp werden noch viel zu wenig genutzt. Und die Kirche muss stärker in den sozialen Medien präsent sein.

Was passiert jetzt mit den Ergebnissen?

Haveresch: Sie werden unter anderem allen Kirchenkreisen zur Verfügung gestellt und in den kirchlichen Gremien wie der Kirchenleitung diskutiert. Wir wünschen uns natürlich, dass auf die Handlungsempfehlungen dann auch Handlungen und Veränderungen folgen und nicht nur darüber geredet wird.

 

ZUR PERSON

Verena Haveresch studiert allgemeine Verwaltung. Ihr dualer Studiengang verbindet das Studium an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) NRW mit Ausbildungsphasen beim Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW. Die 29-Jährige gehört der römisch-katholischen Kirche an und war früher unter anderem als Messdienerin aktiv. Die HSPV ist mit ihren gut 12.000 Studierenden an zehn Studienorten Deutschlands größte Hochschule für den öffentlichen Dienst.