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24.10.2020

Juden sind schuld an Corona

Kirche in WDR2 | 24.10.2020 | 00:00 Uhr

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O-Ton: Bis jetzt habe ich mich hier eigentlich ganz sicher gefühlt. Ja, ich trage keinen Davidsstern um den Hals, ich trage keine Kippa in der Öffentlichkeit, ich habe auch schon früher schon antisemitische Äußerungen gehört, aber das waren Äußerungen, da war keine Gewalt.

Autorin: … sagt Ruth Schulhof-Walter von der Synagogengemeinde in Köln. Dass sie Jüdin ist, sieht man ihr nicht an. Sie trägt Jeans, T-Shirt und auf dem Kopf wilde, blonde Locken.

Dazu blaue Augen, die einen sehr direkt anschauen. Man wird das Gefühl nicht los, sie will wissen, wer man ist. Ob Gefahr im Verzug ist. Kein Wunder.

O-Ton: Ich fühle mich auch deshalb hilflos ausgeliefert, weil die Justiz nicht reagiert. Das heißt die, die gewalttätig werden gegen Juden, die werden nicht wirklich bestraft. Das wird immer runtergespielt.

Autorin: Das Polizei und Justiz auf dem rechten Auge manchmal blind sind, ist mittlerweile bekannt. Spätestens der NSU Prozess hat dies drastisch verdeutlicht.

Ruth Schulhof-Walter beobachtet noch ein anderes Phänomen:

O-Ton: Ich habe Angst vor den Antisemiten mit den weißen Kragen, die in hohen Positionen sitzen und das nimmt - so wie ich das hier erlebe - und ich arbeite in der Synagogengemeinde – nimmt das zu. Und ich fühle mich nicht mehr sicher. Und deshalb überlege ich, ob ich gehe.

Autorin: Viele ihrer jüdischen Freunde und Freundinnen wandern nach Israel aus, sobald sie im Ruhestand sind. Auch von Gemeindemitgliedern weiß sie das.

O-Ton: Ja, in Israel ist es auch nicht sicher. Da kommen regelmäßig, alle paar Tage aus Gaza Raketen – auch da ist es unsicher, aber da werde ich nicht diskriminiert. Ich fühle mich in diesem Land dreimal mehr sicher als hier.

Autorin: Das hat auch mit Corona zu tun. Was aktuell in Deutschland – in Zeiten von Corona – wiederauflebt, ist die Jahrhunderte alte Wahnvorstellung, dass Juden schuld an den Seuchen sind.

O-Ton: Es ist immer sehr einfach, wenn man etwas nicht versteht, jemanden die Schuld zu geben, aber das was jetzt in manchen digitalen Veröffentlichungen zu lesen ist, das ist nichts anderes als das, was es im Mittelalter schon mal gab. Nur da war es die Pest und jetzt ist es Corona.

Autorin: Ruth Schulhof-Walters persönliches Ziel: Antisemiten zu bekehren. Sie davon zu überzeugen, dass Juden Menschen sind wie du und ich.

O-Ton: Das Einzige was uns unterscheidet ist die Religion und die Tradition. Das heißt wir feiern nicht Weihnachten und Ostern und wir haben vielleicht einen anderen Familienzusammenhalt. Aber ansonsten sind wir Nachbarn wie alle anderen auch.

Autorin: Juden sind unsere Väter und Mütter im Glauben. Gott ist in Jesus, einem Juden, Mensch geworden. Mein Gott, ist mir das peinlich. Dass Juden in Deutschland wieder bedroht, verfolgt, getötet werden. Für mich steht fest: Ich werde an ihrer Seite kämpfen. Gegen Antisemitismus. Ich hoffe, auch Sie sind dabei.

Quellen:

Nach Auschwitz – Die radikale Anfrage an Anthropologie und Gotteslehre, aus der

Reihe: Religion betrifft uns, Bergmoser und Höller Verlag AG, 2015 (1)

Juden und Verschwörungstheorien, von Sabine Kaufmann und Tobias Aufmkolk in: planet-wissen. de, zuletzt aufgerufen am 14.9.20

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