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04.12.2017

Offenheit nötig, Befremden nicht ausgeschlossen

Neujahrsempfang 2017

Bildunterzeile Landeskirchenrat Markus Schaefer im Mülheimer Haus der Ev. Kirche 
Zum einem gemeinsam gelebten und respektvoll erstrittenen Miteinander der Religionen und Kulturen rief Markus Schaefer in seinem Festvortrag zum Neujahrsempfang auf. 

Eine Ansprache von Superintendent Gerald Hillebrand und den Festvortrag zum „Miteinander der Religionen und Kulturen“ von Landeskirchenrat Markus Schaefer (Evangelische Kirche im Rheinland) hörten die geladenen Gäste beim Neujahrsempfang des Kirchenkreises An der Ruhr. Mit dem diesjährigen Hoffnungspreis des Kirchenkreises wurden die ehrenamtlich Mitarbeitenden der Jugendarbeit ausgezeichnet (siehe separate Presseinformation).

Superintendent Hillebrand: Gottes stillt unsere Sehnsucht – gratis oder allein aus Gnade

Die Jahreslosung 2018 „Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst“ aus der Offenbarung des Johannes (21,6) stand im Mittelpunkt der Ansprache von Superintendent Gerald Hillebrand. Er erinnerte daran, dass Wasserversorgung in vielen Teilen der Erde immer noch ein drängendes Problem ist. „Gleichzeitig ist Durst mehr als ein physisches Phänomen. Er bedeutet auch ungestillte Sehnsucht. Zum Beispiel nach Gerechtigkeit, in einer Zeit, in der die soziale Schere immer weiter auseinanderklafft, nach einer erhaltenswerten Umwelt, deren Artenvielfalt auch noch unsere Kinder und Enkel kennenlernen sollen oder nach einer sinnvollen Existenz, die sich nicht in Konsum erschöpft.“ Das Wasser aus Gottes Sehnsucht stillender Kraftquelle sei „gratis“ und werde jedem zuteil, unabhängig von individueller Leistung oder von dem, was jemand darstellt. Sondern allein aus Gnade: „Gott lädt uns ein, an der Quelle zu sitzen und so viel zu nehmen und weiterzugeben wie nötig.“

„Miteinander der Religionen und Kulturen“,
Festvortrag von Landeskirchenrat Markus Schaefer

„Es gibt keine Alternative zum Dialog“, rief Markus Schaefer zum interreligiösen und interkulturellen Gespräch auf. Der Leitende Theologe aus dem Dezernat für Ökumene der Evangelischen Kirche im Rheinland sprach vor den Gästen im Mülheimer Haus der Evangelischen Kirche über das Miteinander der Religionen und Kulturen, das auch ein Themenschwerpunkt der kommenden Landessynode sein wird. Er ermutigte zu einem differenzierenden und respektvollen Blick aufeinander und zu einem offenen Umgang, der auch Konflikte nicht ausspart.

In der Analyse und Diskussion sind Religion und Kultur zu unterscheiden, betonte Schäfer. Praktisch und im Alltag aber sei eine Trennung von Religion und Kultur nicht möglich. „Religion gibt es immer nur im Gewand einer bestimmten Kultur“, das treffe auf das Christentum ebenso zu wie auf den Islam. Und das kulturelle Gewand könne sehr unterschiedliche Prägungen haben. Schäfer rief dazu auf, einen differenzierten Blick auch auf die eigene Religion zu werfen. Bibeltreue Evangelikale verstünden sich ebenso als Christen wie liberale Gemeindemitglieder oder orthodox geprägte aus Russland. Ebenso divers präsentiere sich der Islam, Schäfer verwies auf Theologie-Professorinnen in Indonesien als größtem islamischen Land und auf die Tatsache, dass längst nicht alle muslimische Frauen einen Schleier tragen.

Der Referent warnte davor, die Diskussion auf „Extrembeispiele und plakative Einzelfragen“ zuzuspitzen. Kochrezepte für ein gelingendes Zusammenleben gebe es nicht. „Das Miteinander muss gelebt und erlebt, erstritten und ertragen werden“. Dafür sei der respektvolle Dialog unerlässlich. Begegnung, nicht Bekehrung ist das Ziel. Respektvoller Dialog sei gekennzeichnet durch „eine Haltung, eine Gesprächskultur. (…) Dialog ist ein Gespräch auf Augenhöhe, das nicht -auch nicht versteckt- die Bekehrung des Gesprächspartners zum Ziel hat.“

Der Dialog lebt von der Differenz, betonte der Theologe. Damit der Alltag in multireligiösen und multikulturellen Städten wie Mülheim friedlich gelebt werden kann, seien immer wieder neue Verständigungsprozesse notwendig. Ohne sie „entstehen ernsthafte Konflikte, keine Multi-Kulti-Harmonie“, so Schäfer. Die Gesellschaft müsse dabei aushandeln: „Wie viel Konsens, wie viel Einigkeit muss sichergestellt werden, damit die Menschen kooperieren und sich die kulturelle Vielfalt zunutze machen, statt sie gegeneinander zu wenden?“

Als konkretes Beispiel nannte Schäfer die Gleichberechtigung der Geschlechter: „Es reicht nicht aus, gegensätzliche Werte festzustellen und nebeneinander zustellen. (…) Wir brauchen Vereinbarungen und Regeln darüber, dass Mann und Frau in unserer Gesellschaft gleiche Rechte und Pflichten genießen und was das heißt.“ Dabei erkannte Schäfer an, dass solch ein gemeinsam beschrittener Weg keine Selbstverständlichkeit ist. „Wir müssen (die Auseinandersetzung darüber) moderieren, organisieren und ermöglichen (…) und dürfen nicht dem Gesprächspartner von vornherein unterstellen, unnachgiebig und verstockt zu sein. (…) Ja, ich darf befremdet sein über den anderen und das auch sagen, aber ich darf ihn oder sie deshalb nicht angreifen.“

Bildunterzeile  

Kulturelle und religiöse Vielfalt kommt der Gesellschaft schließlich zu Gute. Darüber zeigte sich Schäfer optimistisch. „In den vergangenen 2000 Jahren hat das über weite Strecken gut funktioniert. Die (…) Konflikte im (..) Miteinander sind uns historisch nur viel präsenter als der gelingende Alltag. (…) An der immer schon aufgetretenen Migration ist Reichweite und Geschwindigkeit neu.“

Der Ökumenedezernent warnte vor allzu schlichten Bildern über „den Islam“ oder „das Christentum“. „Diese Bilder sind mindestens unscharf, oft schlicht: falsch und daher anfällig für bestimmte Meinungen und vorschnelle Handlungsvorschläge. Schreibt „der Islam“ die Verschleierung von Frauen vor? Hat „der Islam“ einen Hang zur Gewalt oder ein intolerantes Gottesbild? Ist „das Christentum“ liberaler? Wie ist die Einstellung „des Christentums“ zur gesellschaftlichen Stellung der Frau? Wenn Sie, wie ich, zumindest keine eindeutigen Antworten auf diese Fragen haben, lade ich Sie ein, stattdessen jeweils  verschiedene Menschen muslimischen Glaubens in den Blick- oder besser noch: ins Gespräch zu nehmen.“ Nicht zuletzt sei es gemeinsame Aufgabe aller Religionen, dem Frieden zu diesen. „Die gemeinsame Suche nach Gerechtigkeit, Frieden und Wohlstand kann helfen, Unterschiede zu respektieren, Trennendes zu überwinden und Gewalt zu verhindern.“