Kontakt | Impressum

Links zur Aggregation:

Metadaten:

Von der Grausamkeit aus der Mitte der Gesellschaft

Ökumenischer Gottesdienst

Bildunterzeile Leonie Türnau, Vorsitzende der ACK Mülheim 
80 Jahre nach den nationalsozialistischen Pogromen trafen sich in der Petrikirche MülheimerInnen aller Konfessionen, um der Opfer der Nationalsozialisten zu gedenken. Die ACK richtete einen Appell zur Wachsamkeit an die ökumenische Gottesdienstgemeinde.

Mülheimerinnen und Mülheimer aller Konfessionen trafen sich zum ökumenischen Gottesdienst in der Petrikirche um „dessen zu gedenken, was vor 80 Jahren mitten unter uns geschehen ist“, wie Superintendent Hillebrand in seiner Begrüßung sagte. „Wir beten heute um Vergebung für die Vergangenheit und um Ermutigung für die Zukunft.“ Vertreterinnen und Vertreter der Mülheimer Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) feierten den Gottesdienst zum Pogromgedenken mit der ökumenischen Gemeinde. Für die besondere musikalische Gestaltung sorgte der Chor der Kantorinnen und Kantoren des Kirchenkreises An der Ruhr und Gijs Burger an der Orgel.

Am 9. November 1938 wurde die Mülheimer Synagoge, ebenso wie viele andere jüdische Gotteshäuser, mutwillig in Brand gesetzt. In der Ruhrstadt waren es sogar Feuerwehrleute, die den Brand legten. „Das alles geschah unter den Augen derer, die zu- oder auch weggesehen haben. Wir wollen heute aus der Erinnerung Ermutigung ziehen, die uns stärkt, hinzuschauen und uns einzumischen, wo es nötig ist“, so Superintendent Hillebrand.

Im Mittelpunkt des Gottesdienstes standen Lesungen und Gedanken zu Szenen aus Hans-Peter Richters historischem Jugendroman „Damals war es Friedrich“. Das Buch erzählt die Geschichte zweier Schulfreunde. Einer von ihnen, Friedrich, ist Jude. Der Nationalsozialismus treibt einen Keil in ihre Freundschaft, worunter Friedrich in tragischer Weise leiden muss.

In der Petrikirche trugen die Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen Szenen aus dem Buch und ihre Kommentare aus heutiger Sicht vor. Die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher erlebten mit, wie sich in der Geschichte Friedrichs Schulfreund immer tiefer in das antisemitische Geschehen verstrickt und sich gemeinsam mit anderen gewalttätig Zugang zum privaten Wohnhaus seines Freundes verschafft „Auf einmal schob ich mit und wusste gar nicht, wie ich dahingekommen war“. An einer anderen Stelle wird geschildert, wie der Junge im fremden Haus einen Hammer schwingt. Zuerst scheinbar spielerisch und dann immer kräftiger, um sich schließlich mit Zerstörungslust den Weg zu bahnen. „Es ist erschütternd und tieftraurig, wozu sich Menschen hinreißen lassen“, kommentierte Stadtdechant Michael Janßen die Romanszene. Er appellierte an die Gottesdienstgemeinde, achtsam zu sein gegenüber den selbst gewählten und von anderen gesprochenen Worten: „Wie sehr können allein Worte treffen, nicht nur der Hammer aus Geschichte? Wie viele verbale Hammer gibt es schon bei uns? Wie sprechen wir über anders denkende, glaubende oder fühlende Menschen?“

Der Gottesdienst schloss mit einem gemeinsamen Appell aller beteiligten Vertreterinnen und Vertreter aus der ACK „gegen ein Wiederaufleben der alten NS-Muster in neuem Gewand.“