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13.06.2021

Geh aus, mein Herz, und suche Freud

Sonntagskirche | 13.06.2021 | 00:00 Uhr

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Autor: Guten Morgen.

Vor 30 Jahren war ich einer der Schnellsten im Ruhrgebiet, wenn’s darum ging, von A nach B zu kommen. Ich fuhr alle Wege mit S-Bahn und Rad und war im Vergleich zu den Autofahrern immer schon am Ziel, bevor die eintrafen – wie bei Hase und Igel: „Ick bün all hier.“ – Ich bin schon da.

Wer Rad fährt, erlebt die Welt anders. Radwege folgen nicht den ewig gleichen Lärm- und Abgasschneisen. Radwege führen über Bahntrassen, sind ausgebaute Trampelpfade, die an Kleingärten vorbeiziehen, Bäche, Kanäle und Flüsse begleiten und auch Parklandschaften oder kleine Wälder durchstreifen.

Wenn ich Rad fahre, fällt von mir ab, was mich bindet und den Blick verstellt. Gerade jetzt im Juni, wenn die Kirschen reifen und die Rosen in den Gärten blühen, lässt sich das Herz beflügeln.

Ein altes Kirchenlied singt davon:

Musik: „Geh aus, mein Herz und suche Freud“ Track 6 von CD: Reiß die Himmel auf! (Kirchenlieder als Chansons), Text: Paul Gerhardt (1607–1676), Melodie: August Harder (1775–1813). Interpretin: Vera Hahn, Label: Timezone, Copyright: ?© 2016 Timezone, Osnabrück, LC: 12791.

Geh aus, mein Herz, und suche Freud,

in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben.

Schau an der schönen Gärten Zier

und siehe, wie sie mir und dir

sich ausgeschmücket haben.

Autor: Suche Freud, mein Herz. Geh aus dir heraus, mein Herz. Mit allen Sinnen bin ich in dieser Sommerzeit unterwegs: sehe, rieche, schmecke, höre, taste und nehme die vielen schönen Düfte, Farben und Klänge von Gottes Schöpfung in mir auf.

Aber manchmal sehe ich dann kranke Bäume und Wälder. Und vermisse Insekten. Wir sind auf „Holzwege“ geraten. Holzwege? Das Wort stammt aus dem Mittelalter. Man fällte Bäume in den Wäldern und ließ sie von Pferden zu einer Sammelstelle ziehen. Dabei bildeten sich Schleifwege, Holzwege also, die an den Sammelstellen endeten, somit Sackgassen waren. Also Ende im Gelände.

Deswegen steht man auf Holzwegen im Stau. Unseren verstopften Verkehrswegen droht der Infarkt. Wir kennen die sich stets selbst verstärkende Spirale bis zum Überdruss, von Staus, Luftverschmutzung, Lärmbelastung, Rettungsgassen und psychosozialem Stress. Viel zu viele sind immer noch auf das Auto angewiesen. Nachhaltige Verkehrspolitik tut not!

Sinnigerweise stammt nun das Wort „Nachhaltigkeit“ auch aus der Holzwirtschaft: Als ungebremster Holzeinschlag vor 300 Jahren die Wälder ramponierte, setzte sich die Einsicht durch: Pro Jahr darf nicht mehr Holz geschlagen werden, als auch nachwachsen kann. So entschloss man sich, die Wälder „nachhaltig“ zu bewirtschaften.

Heute muss nicht nur unser Umgang mit Bäumen nachhaltig sein, sondern unser ganzes Tun und Lassen, um der Zukunft allen Lebens auf der Erde willen. Nicht mehr verbrauchen, als auch nachwachsen kann!

Aber nicht das Erfinden und Entdecken nachhaltiger Zukunftswege ist das Problem. Das Problem ist die Beharrlichkeit, mit der wir Menschen auf alten Holzwegen verbleiben, die in Sackgassen führen.

Musik: Geh aus, mein Herz, und suche Freud – Vera Hahn

Autor: Geh aus, mein Herz, und suche Freud. Da ist Bewegung drin. Das Herz muss sich lösen und der Kopf frei werden. Diesen Impuls braucht die Politik hierzulande und jede und jeder einzelne von uns. Die irrigen Holzwege verlassen. Um Gottes, der Menschen und allen Lebens willen. Darin liegt Zukunft. Für uns und für Gottes ganze Schöpfung.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze