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28.09.2019

Dir, dir, o Höchster, will ich singen“ (eg 328)

Choralandacht | 28.09.2019 | 00:00 Uhr

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Choralandacht | Kirschbaum

Musik 1: Track 4 “Dir, dir, o Höchster will ich singen”, CD: Lobe den Herren, die schönsten Loblieder und -choräle, Text: Bartholomäus Crasselius, Melodie: Hamburg 1690, Halle 1704, Interpreten: Das Solistenensemble, Leitung: Gerhard Schnitter, Hänssler Verlag, Label: Hänssler, LC.-NR.: 07224, Bestell-Nr.: 99-956.

Choral (1. Strophe, overvoiced)

Dir, dir, o Höchster, will ich singen,/ denn wo ist denn ein solcher Gott wie du?/

Dir will ich meine Lieder bringen,/ ach gib mir deines Geistes Kraft dazu,/

Dass ich es tu im Namen Jesu Christ,/ so wie es dir durch ihn gefällig ist.

Autorin: Auf dem Spielplatz beobachte ich zwei Kinder. Sie stehen sich lachend gegenüber

und halten sich fest an beiden Händen. Bloß nicht loslassen! Und immer wieder versucht das eine Kind, das andere ein bisschen mehr auf die eigene Seite zu ziehen, und das andere macht dieses Spiel mit und zieht entsprechend in die eigene Richtung.

Der Liedtext des Pfarrers Bartholomäus Crasselius erinnert mich an dieses Spiel. Auch hier begegnen sich zwei, die voneinander nicht lassen wollen: Gott und Mensch. Und auch hier geht es hin und her zwischen den beiden.

Crasselius fragt: Wie kann ich mich Gott nähern? Und antwortet: Ohne Gottes Geist läuft nichts. Deshalb bittet er um dessen Beistand und beruft sich dabei auf Christus.

So sind auf spielerische Weise gleich zu Beginn die drei Personen der Trinität benannt: Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Sprecher: Der lutherische Pfarrer Crasselius wurde 1667 geboren. Durch sein Studium an der Universität Halle bei August Hermann Francke war er zu einem eifrigen Verfechter des Pietismus geworden. Diese neue Frömmigkeitsrichtung setzte auf eine individuelle und verinnerlichte Gottesbeziehung und stand im Gegensatz zu der als zu starr empfundenen lutherischen Ordnungstheologie. Den Dienstvorgesetzten von Pfarrer Crasselius gefiel das aber gar nicht, und so musste er seine Gemeinde in Kursachsen verlassen. 1701 wurde er Pfarrer in Nidda in der Wetterau, nordöstlich von Frankfurt. Fünf Jahre später übernahm er ein Pfarramt in Düsseldorf.

Autorin: Zur pietistischen Glaubenspraxis gehört das Singen überschwänglicher Anbetungslieder. Halle war das Zentrum des pietistischen Kirchengesangs, und Crasselius veröffentlichte dort einige Lieder, auch sein berühmtestes „Dir, dir, Jehova, will ich singen.“

Warum „Jehova“?

Sprecher: In der jüdischen Tradition darf der Name Gottes nicht ausgesprochen werden. In den biblischen Schriften steht deshalb ein Platzhalter aus vier Buchstaben, JHWH. Um das vorlesen zu können, wurden im Mittelalter Vokale dazwischengesetzt – so entstand „Jehova“. Im Christentum erfreute sich dieser Name bis ins 20. Jahrhundert großer Beliebtheit. Aber während der Nazizeit gründeten zehn protestantische Landeskirchen 1939 ein Institut in Eisenach, um Bibel und Kirchengesangbücher zu „entjuden“. Ausdrücke wie „Zion“, „Abrahams Samen“ oder eben „Jehova“ wurden eliminiert und durch allgemeinere Formulierungen ersetzt. In Crasselius‘ Lied wurde „Dir, dir, o Höchster“ nach 1945 nicht rückgängig gemacht, mit der Begründung, man wolle nicht die Zeugen Jehovas unterstützen.

Autorin: Mit einer Fanfare bei „Dir, dir“ beginnt das Lied. So wird Aufmerksamkeit erzeugt.

Danach durchmisst die Melodie einen gewaltigen Umfang von anderthalb Oktaven.

Trotzdem ist sie gut zu singen, denn sie bewegt sich in kleinen Schritten durch die Tonleiter, auf- und wieder abwärts.

Musik 2 = Musik 1: Choral (2. Strophe, overvoiced)

Zieh mich, o Vater, zu dem Sohne,/ damit dein Sohn mich wieder zieh zu dir;/

Dein Geist in meinem Herzen wohne/ und meine Sinne und Verstand regier,/

Dass ich den Frieden Gottes schmeck und fühl/ und dir darob im Herzen sing und spiel!

Autorin: Jetzt kommt Christus aktiv ins Spiel. Die Zugkräfte bilden nun ein Dreieck zwischen Mensch, Gott-Vater und Gott-Sohn.

1695 ist der Liedtext entstanden, das Zeitalter der Aufklärung bricht an. Deshalb werden Sinne und Verstand benutzt, um eine Gottesbeziehung aufzubauen – und nicht etwa Gefühle gegen Denken ausgespielt.

Der Frieden Gottes ist nicht abstrakt – ich kann ihn schmecken und fühlen, zum Beispiel beim Abendmahl. Und diese Friedenserfahrung bringt mich erneut zum Singen und Spielen.

Musik 3 = Musik 1: (Choral, 3. Strophe, overvoiced)

Verleih mir, Höchster, solche Güte,/ so wird gewiss mein Singen recht getan,/

so klingt es schön in meinem Liede,/ und ich bet dich im Geist und Wahrheit an;/

so hebt dein Geist mein Herz zu dir empor,/ dass ich dir Psalmen sing im höhern Chor.

Autorin: Jetzt mischt sich auch der Geist in die Bewegung ein.

Lied und Gebet werden vom Heiligen Geist empor gehoben, der „höhere Chor“ ist

ein altes Bild für die direkte Umgebung Gottes, in der die Engel sich singend um den Thron gruppieren

Musik 4 = Musik 1: Choral (4. Strophe, (overvoiced)

Denn der (gesungen: Der Geist) kann mich bei dir vertreten/ mit Seufzern, die ganz unaussprechlich sind;/

der lehret mich recht gläubig beten,/ gibt Zeugnis meinem Geist, dass ich dein Kind/

und ein Miterbe Jesu Christi sei,/ daher ich „Abba, lieber Vater!“ schrei.

Autorin: Nun geht es richtig zur Sache: Seufzen, Beten, Schreien –das sind Lautäußerungen, die man sich in der Öffentlichkeit nicht so recht traut, wohl aber im

intimen Rahmen, z.B. in der Familie.

Crasselius bezieht sich dabei auf den Römerbrief des Apostels Paulus im 8. Kapitel.

Sprecher: Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder…Denn ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: „Abba, lieber Vater!“

Autorin: Wenn eigene Worte fehlen, hilft manchmal ein tiefer Seufzer. Auch das hat

Paulus der römischen Gemeinde geschrieben:

Sprecher: Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht,

was wir beten sollen, wie sich’s gebühret; sondern der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen.

Musik 5: (Gitarre, darauf Choraltext Strophe 5 overvoiced)

Was mich dein Geist selbst bitten lehret,/ das ist nach deinem Willen eingericht‘/

und wird gewiss von dir erhöret,/ weil es im Namen deines Sohns geschicht,/

durch welchen ich dein Kind und Erbe bin/ und nehme von dir Gnad um Gnade hin.

Autorin: Mit drei Seligpreisungen an die eigene Person schließt Crasselius sein Lied: „Wohl mir!“ und fasst den Inhalt der ersten Strophen noch einmal zusammen.

Musik 6 = Musik 1: (Choral Str. 6 und 7, overvoiced)

Wohl mir, dass ich dies Zeugnis habe!/ Drum bin ich voller Trost und Freudigkeit/

Und weiß, dass alle gute Gabe,/ die ich von dir verlanget jederzeit,/ die gibst du und tust überschwänglich mehr,/ als ich verstehe, bitte und begehr.

Wohl mir, ich bitt in Jesu Namen,/ der mich zu deiner Rechten selbst vertritt,/

In ihm ist alles Ja und Amen,/ was ich von dir im Geist und Glauben bitt./

Wohl mir, Lob dir jetzt und in Ewigkeit,/ dass du mir schenkest solche Seligkeit.

Quellen:

Römer 8, 14 und 15b

Römer 8, 26

Aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers, Deutsche Bibelgesellschaft, 2017

Redaktion: Pfarrer i.R. Dr. Gerd Höft