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13.04.2018

Eine lebbare Entscheidung treffen

Pränataldiagnostik

Artikelbild Claudia Mühl-Wingen 
Pränataldiagnostik ist das Thema der diesjährigen „Woche für das Leben“. Was evangelische Beratung leistet, wenn werdende Eltern mit Pränataldiagnostik konfrontiert sind, erklärt Claudia Mühl-Wingen, Leiterin der Evangelischen Beratungsstelle für Schwangerschaft, Sexualität und Pränataldiagnostik der Bonner Diakonie.

Wofür braucht es die Pränataldiagnostik - zerstreut sie Ängste, die sie selbst erst schafft?

Das ist eine provokante Aussage. Pränataldiagnostik schafft nicht Ängste, sondern die Ängste waren immer schon da. Auch früher haben sich Eltern darüber Gedanken gemacht, ob ihr Kind gesund zur Welt kommt. Außerdem können und dürfen wir die Augen nicht vor dem medizinischen Fortschritt verschließen. Es gibt zum Beispiel Erkrankungen, die, werden sie nicht entdeckt, ein Todesurteil sind. Aber wenn man es weiß, reicht eine  OP, um dies abzuwenden. Pränataldiagnostik wurde dazu entwickelt, Leben zu schützen und zu retten.

Kein Gedanke an Aussortierung?

Es kommt auf die Definition von Pränataldiagnostik an. Schon mit den Vorsorgeuntersuchungen  beginnt Pränataldiagnostik, denn schon im Mutterpass werden Daten erhoben, auch solche, die gegebenenfalls Hinweise auf mögliche Fehlentwicklungen geben. Die Diagnosemethoden werden immer feiner und spezifischer. Und so kann es – hart formuliert – zur Aussortierung von Leben wegen starker genetischer Fehlbildungen kommen.

Würde ein Recht auf Nichtwissen weiterhelfen?

Wer schwanger ist und Pränataldiagnostik ausschließen will, muss mit seiner Ärztin oder seinem Arzt schon sehr detailliert reden, um bestimmte Untersuchungen von vornherein auszuschließen. Ärzte halten sich natürlich an die Vorgaben des Mutterpasses. Nehmen wir zum Beispiel die Untersuchung der Nackenfaltendichte, die einen Hinweis auf eine Behinderung geben kann. Erfährt man, dass es eine Unsicherheit gibt, ist man damit konfrontiert, dies näher untersuchen zu lassen. Und schon allein der Hinweis darauf macht einem großen Sorgen. Welche Frau ist so stark, dann auf Wissen oder Klärung zu verzichten?

Und im schlimmsten Fall, wenn es nur eine Diagnose, aber kein Therapieangebot gibt?

Dann geht es um die Frage einer medizinischen Indikation, und – was vielen nicht bewusst ist, die Rechtslage ist ja auch nicht unkompliziert, – dann liegt die Entscheidung über einen möglichen Schwangerschaftsabbruch in den Händen der Ärzte. Natürlich richten die Ärzte sich auch danach, wie sich die Eltern verhalten. Man kann auch sagen, sie treffen die Entscheidung mit. Das heißt, auch bei schwerster Behinderung können sich Eltern für ihr Kind entscheiden. Aber die Entscheidung gegen das Kind und für einen Abbruch – die liegt nicht bei ihnen.

Ist das für die Paare entlastend?

Ich glaube ja. Wir sprechen jetzt über Fälle, in denen Ärzte sagen, das Kind wird kaum eine Überlebenschance haben. Wir arbeiten in unserem Projekt eng mit der Klinik zusammen. Paare, bei denen ein Abbruch ansteht, schickt sie uns auch. Die Bonner Uni-Klinik hat in der Pränataldiagnostik eine Sonderstellung. Sie ist ein Fachzentrum. Hierher kommen Paare auch aus anderen Bundesländern, sogar aus Nachbarländern. Sie kommen zur Zweit- oder Drittdiagnostik.

Was kann Beratung leisten?

Beratung gibt Menschen, die mit einer solchen Diagnose konfrontiert sind, einen Reflexionsraum - es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein ganz anderer Raum -, einen Ausstieg aus der medizinischen Welt, aus dem Diagnoseverfahren. Bei uns ist es ein anderes Setting. Sie kommen ein Stück weit zur Ruhe, aber nicht nur zur Ruhe. Emotionen wie Trauer oder Aggression kommen raus. Beratung dient dann dazu, zu einer lebbaren Entscheidung zu finden. Allerdings muss ich sagen, eine solche Diagnose hat immer etwas Traumatisches. Es ist immer ein Schock. Sie sind mit dem Tod ihres Kindes konfrontiert. Ganz zu schweigen von dem, was dann noch auf die Betroffenen zukommt, wenn ein Abbruch nötig ist oder wenn das tote Kind entbunden werden muss. Es ist eine unglaubliche Ausnahmesituation. Je klarer die Frauen bzw. Paare wissen, was auf sie zukommt, desto besser. Es hilft, dass sie es verkraften.

Claudia Mühl-Wingen leitet die Evangelische Beratungsstelle für Schwangerschaft, Sexualität und Pränataldiagnostik, Beratung nach §219 StGB, eine Einrichtung des Diakonischen Werks Bonn und Region. Die dort angesiedelte „Beratung bei vorgeburtlicher Diagnostik“ ist mit rund 300 Fällen pro Jahr die größte der vier Spezialberatungsstellen in NRW zu diesem Thema.

Die diesjährige „Woche für das Leben“ thematisiert die Pränataldiagnostik unter dem Titel „Kinderwunsch. Wunschkind. Unser Kind!“ Der ökumenische Eröffnungsgottesdienst wird am 14. April, 11 Uhr, im Trierer Dom gefeiert.