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06.07.2016

Integration zum Mitmachen

Flüchtlinge

Artikelbild Deutsch lernen und dabei Vorurteile abbauen: Der syrische Arzt Abed Alkhalaf bringt in seinem Solinger Viertel Anwohner und Flüchtlinge miteinander ins Gespräch. 
„Sprechen Sie Deutsch?“ So fragt Woche für Woche Abed Alkhalaf bei Integrationsabenden der Kirchengemeinde St. Reinoldi Rupelrath in Solingen. Der syrische Arzt, der selbst erst seit einigen Monaten Deutsch lernt, bringt Anwohner und Flüchtlinge miteinander ins Gespräch. 

Beifall, Blumen und lächelnde Menschen: Seine Ankunft in Solingen wird Abed Alkhalaf nicht so schnell vergessen. „Wir kamen hierhin, um vor der Hölle des Krieges zu fliehen, der alles und jeden zerstört“, sagt der 45-jährige Syrer. Gefunden habe er mehr als erwartet. Nun will der Arzt aus dem nordsyrischen Al-Hasaka etwas zurückgeben und setzt sich für andere Menschen ein, die Unterstützung brauchen. Ort seines Engagements ist die evangelische Kirchengemeinde im Stadtteil Aufderhöhe, die ihm und weiteren Flüchtlingen seit Monaten tatkräftig zur Seite steht.  

Jeden Dienstagabend ist Alkhalaf im Jugendbüro der Gemeinde St. Reinoldi Rupelrath Gastgeber von „Sprechen Sie Deutsch?!“ - einer Veranstaltung, die Flüchtlinge und Anwohner miteinander ins Gespräch bringt. Vordergründig geht es ums Deutschlernen, noch wichtiger ist aber die zwanglose Begegnung von Deutschen und Syrern, Christen und Muslimen, alteingesessenen und ganz neuen Solingern: Integration zum Anfassen und Mitmachen, die Vorurteile abbauen und den teils traumatisierten Flüchtlingen helfen soll, im hiesigen Alltagsleben anzukommen.  

Rund zwei Dutzend Menschen kommen Woche für Woche zu den Treffen, bei denen viel gelernt und gelacht wird – egal ob es um die deutsche Grammatik, den Alltag in Deutschland oder die Rolle der Frauen in den verschiedenen Kulturen geht. Besonders nach den Silvesterübergriffen von Köln sei es wichtig, mit den Menschen zu sprechen und ihnen zu zeigen, dass auch die Flüchtlinge nicht alle gleich seien, sagt Alkhalaf.

"Dr. Abed"hat von Anfang an das Zusammenleben organisiert

Als ehrenamtlicher Helfer in der Flüchtlingsarbeit der Kirchengemeinde ist er Ansprechpartner für andere Geflüchtete und begleitet sie als Übersetzer zum Arzt und zu Behörden. Auch bei „Kiwi“ arbeitet der 45-Jährige mit, einem monatlichen Aktionstag für Kinder mit Spiel und Sport, zu dem auch Flüchtlingsfamilien in die Kirche kommen. Schon in der Erstunterkunft hatte „Dr. Abed“, wie ihn viele nennen, das Zusammenleben organisiert und als Dank für die Aufnahme in Deutschland gemeinsam mit anderen Asylsuchenden Rosen in der Solinger Innenstadt verteilt.  

Dass er sich als Muslim in einer christlichen Kirche engagiert, ist für Alkhalaf gar kein Problem: „Jesus ist auch für Muslime wichtig“, sagt er. "Wenn ich keine Moschee finde, kann ich auch in der Kirche beten." Seine Nachbarn und neuen Freunde in Solingen seien zudem alle Christen.  

Knapp 20 Syrer und Iraker, die inzwischen als asylberechtigt anerkannt sind, begleitet und unterstützt die evangelische Kirchengemeinde seit September. Aus christlicher Überzeugung, wie Jugendleiter Wolfgang Arzt betont: Glaube sei keine reine Privatsache, sondern müsse sich auch in öffentlichem Handeln zeigen. Anfangs wurden Gespräche, Spiel, Sport und Deutschkurse angeboten, später kam Hilfe beim Asylverfahren und bei der Wohnungssuche hinzu, inzwischen geht es verstärkt um Fragen wie Familiennachzug und Anerkennung von Ausbildung und Beruf.  

Ein Wechselbad der Gefühle hat Abed Alkhalaf erlebt, seit er im August 2015 gemeinsam mit Bruder, Neffe und Schwager in Al-Hasaka in eine ungewisse Zukunft aufbrach. Wie viele andere Flüchtlinge wagte er von der Türkei aus die gefährliche Fahrt im Schlauchboot über das Mittelmeer, die bereits auf der griechischen Insel Samos endete. Über Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich kam er nach drei Wochen, in denen ihn unterwegs die Nachricht vom Tod seiner Mutter in Syrien erreichte, endlich in Deutschland an.

"Ich bin für unsere Zukunft nach Deutschland gekommen" 

Über sein eigenes Schicksal machte sich der Mediziner seither kaum Gedanken, auch wenn es bis zu seiner Anerkennung als Arzt in Deutschland noch ein weiter Weg ist. Stattdessen kreiste alles um die Frage: Was soll aus seiner Frau und den drei Kindern im Alter von neun bis 13 Jahren werden, die er in Syrien zurücklassen musste? „Ich bin für unsere Zukunft nach Deutschland gekommen“2, sagt Alkhalaf.  

Zehn Monate Hoffen und Bangen liegen hinter dem stets freundlichen und hilfsbereiten Syrer, nun ist sein sorgenvolles Warten vorbei: Vor wenigen Tagen konnte Alkhalaf endlich seine Familie in die Arme schließen, die mit einigen Mühen in die Türkei gelangt war und dort ein Visum nach Deutschland erhielt. Ein neues Kapitel des Lebens in Deutschland beginnt.