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Begegnung in Bossey

GMÖ

Bildunterzeile Ökumene-Studiengruppe in Bossey 
Zu einer ganz besonderen Begegnung wurde der Besuch des ökumenischen Instituts Bossey für eine Gruppe rheinischer und westfälischer TheologInnen unter der Leitung von Ekkehard Lagoda sowie Ursula Thomé und Claudio Gnypek vom GMÖ westliches Ruhrgebiet.

Bildunterzeile Fair gehandelter Kaffee aus dem Ruhrgebiet reiste als Gastgeschenk mit in die Schweiz 

Bossey – „Ecumenical movement is about encounter. And that’s what we do here in Bossey.“ – „In der ökumenischen Bewegung geht es vor allem um Begegnung. Und das ist es, was wir hier in Bossey tun“ – so brachte es Dr. Benjamin Simon, Professor für Ökumenewissenschaften und Interkulturelle Theologie am Ökumenischen Institut des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Bossey in der Nähe von Genf, auf den Punkt. Und zu einer ganz besonderen Begegnung wurde dann auch der Besuch eben jenen Instituts für eine Gruppe rheinischer und westfälischer Theologinnen und Theologen unter der Leitung von Ursula Thomé, Ekkehard Lagoda und Claudio Gnypek.

Insgesamt neun Pfarrerinnen und Pfarrer, ein Diakon sowie eine Lehrerin für Religion und Mathematik waren im Rahmen einer Fortbildung des Pastoralkollegs nach Bossey gereist, um sich einen aktuellen Einblick in die Arbeit des ÖRK zu verschaffen. Im Mittelpunkt stand unter anderem die Begegnung mit Studierenden - jedes Jahr absolvieren rund 30 Studierende für jeweils zwei Semester den so genannten Masterstudiengang "Master of Advanced Studies in Ecumenical Studies" am Institut. Und nicht nur dabei treffen in Bossey Menschen unterschiedlichster Herkunft und Konfession aufeinander - evangelisch, katholisch, orthodox, aus Indien, Nigeria, dem Kongo, oder aus Armenien - in Bossey finden sie sich auf einmal in einer Begegnung wieder, mit der sie so vielleicht nicht gerechnet hätten. "In Bossey I have discovered that difference is possible", berichtete einer der master students, der in seinem Heimatland Nigeria als anglikanischer Dekan einer Hochschule tätig ist. Ein orthodoxer Student, ein Mönch aus Rumänien, fasste seine Zeit in Bossey so zusammen: "It's a beautiful, but also challenging experience." Und das "Geschenk Bosseys" - "the gift of Bossey" sei es, dass sehr unterschiedliche Menschen aus aller Welt hierherkämen und versuchten, als "Familie" zu leben. "And it's not easy, like in every family, but we try to overcome the differences." - "Und das ist nicht einfach, wie in jeder Familie, aber wir versuchen, die Unterschiede zu überwinden."

 

Eine lebensverändernde Erfahrung

"To overcome the differences" - all die Unterschiede, die sich aus Herkunft, Kultur und Konfession, ja auch Religion, ergeben, gemeinsam zu überwinden, dafür warb auch Professor Dr. Fr Joan Sauca, der Direktor des Ökumenischen Institutes, rumänisch-orthodoxer Theologe. Dabei sei dies vor allem auch eine Frage des Vertrauens, so Sauca weiter. Vertrauen aber könne nur entstehen, wenn man genau wüsste, woran man bei seinem Gegenüber sei. Im Gespräch mit dem Institutsdirektor wurde schnell deutlich: Ein aus falsch verstandener Toleranz undeutliches, gar schwammig bleibendes Profil sei im Miteinander eher hinderlich. Es gelte vielmehr, deutlich Profil zu zeigen, damit keine "versteckten Absichten" vermutet werden könnten. Wichtig sei eine "open identity", eine offene, klar erkennbare Identität - und dann würde durchaus offenbar, dass "at the end of the day we're all christians", dass "wir am Ende eines Tages alle Christen sind", so Sauca. In Bossey sei all dies erfahrbar, nicht selten mit weitreichenden Konsequenzen: "Bossey is a life changing experience"- "Bossey ist eine lebensverändernde Erfahrung", wusste der Direktor zu berichten.

 

Mission stellt unser Leben auf den Kopf

Hört man all dies, so stellt sich dabei schnell auch die Frage nach dem Verständnis des Begriffs "Mission". Dazu kamen die Gäste mit Benjamin Simon ins Gespräch, der betonte: "Mir ist es wichtig, den Begriff zu rehabilitieren. Und anders zu füllen." Denn der Begriff werde nach wie vor sehr unterschiedlich verstanden. Dabei gehe es aber eben nicht um Konversion, so Simon. Vielmehr seien die drei Säulen der Mission Sendung, Übersetzung und Veränderung. Dabei bedeute das erste die Fähigkeit, sprachfähig zu sein und vom eigenen Glauben erzählen und Zeugnis geben zu können. Die zweite Säule betone vor allem das kontextuelle Verständnis, und letztere bedeute, so Simon, die vorhandene Welt und Struktur konkret zu verändern: "Mission stellt unser Leben auf den Kopf". Es gelte, einen Beitrag zur Realisierung des Reiches Gottes zu leisten - und dabei immer kontextuell zu bleiben, also alle Unterschiede in Tradition, Herkunft und Kultur nicht aus dem Blick zu verlieren.

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Vielfältigkeit des Christentums kennenlernen

Um für eben jene Unterschiede ein Gespür und ein Verständnis zu bekommen, bietet das Ökumenische Institut Bossey neben dem einjährigen Masterstudiengang auch eine so genannte "Summer School" an. Drei Wochen im Juli und August haben maximal 20 Studierende aus aller Welt Gelegenheit, die Schönheit Bosseys am Genfer See zu genießen und mit intensivem Leben und Arbeiten am Institut zu verbinden. Die Summer School bietet eine Einführung in die drei abrahamitischen Religionen, ein Schwerpunktthema und schließt mit einem Essay ab. Die entscheidende Grunderfahrung dabei aber sei, wie vielfältig das Christentum sei, betonte Simon, der auch für die Summer School zuständig ist.

 

A space to bring the churches together

Eine besondere Perspektive der Vielfältigkeit bot die Begegnung mit Dr. Ani Ghazaryan Drissi, Programmreferentin für Glaube und Kirchenverfassung (Faith and Order) beim ÖRK. Drissi kommt aus der Tradition der armenisch-orthodoxen Kirche und brachte die teils sehr komplexe armenisch-apostolische orthodoxe Perspektive innerhalb der Ökumenischen Bewegung ein. "Being Christian in Armenia is an identity", betonte Drissi. Frauenordination, die Anerkennung von Homosexualität sowie die Feier des Abendmahls seien bis heute besondere Punkte, die mit Blick auf das Miteinander und den Dialog der Kirchen noch nicht abschließend geklärt seien. Drissi betonte dabei die Bedeutung des ÖRK: "It's extremely important to have a body to connect", so die studierte Theologin, die in ihrer Kirche jedoch nicht ordiniert werden kann und trotz ihrer Ausbildung und Erfahrung als Frau nicht am offiziellen Dialog beteiligt wird. Umso wichtiger sei es, so Drissi, dass es einen solchen Raum wie den ÖRK gebe, der die Kirchen zusammen brächte: "The WCC is the space to bring the churches together." Dabei gehe es neben einem respektvollen Dialog durchaus auch um gemeinsames Beten und Feiern - und um ein Anerkennen der Unterschiede und Traditionen. "Pray together, worship together is very important - but by accepting all traditions." - "Miteinander zu beten, Gottesdienst zu feiern ist sehr wichtig - aber indem man alle Traditionen akzeptiert."

 

Mission from the margins - Mission von den Rändern

Unterschiede gemeinsam überwinden, eine offene, klare Identität zeigen, den respektvollen Dialog miteinander suchen und dabei Traditionen achten - an all diese Grundsätze ökumenischer Bewegung und Begegnung schließt das an, was die aus Tonga und Australien stammende Pfarrerin Dr. Katalina Tahaafe -Williams vom ÖRK unter dem Begriff "Mission from the margins" versteht - und leidenschaftlich vertritt. "Mission from the margins" meint nämlich, dass jeglicher internationaler ökumenischer Dialog von den Rändern her inspiriert werden müsse. Gab es bisher eher eine Bewegung und ein Denken hin zum Rand, also beispielsweise von Europa in den Süden, ginge es bei der Idee der "Mission von den Rändern" vielmehr darum, "die Menschen an den Rändern" wahrzunehmen, und deutlich zu machen, dass sie sehr viel zu geben haben und nicht von der Mitte her Dinge brauchen, sondern gerade vom Rand aus Ungerechtigkeiten verändert werden könnten, so Williams weiter. "No matter how poor people are - we have to treat them as people who have something to offer." Es gehe darum, einen echten Austausch miteinander zu haben, aufeinander zu hören und sich nicht so zu verhalten, als hätte man als einziger das Know-How zur Lösung von Problemen. Für Williams ist "Mission from the margins" vor allem eine praktische Perspektive, eine Haltung, und "die Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse" der Menschen am Rand - damit echte Begegnung und ein gemeinsames Weitergehen auf dem ökumenischen Weg überhaupt möglich werden können.

Für die Gruppe aus dem Rheinland und aus Westfalen waren dies nicht die einzigen Begegnungen in Bossey, aber sicher einige der eindrücklichsten. Und nach fünf ereignisreichen Tagen waren sich am Ende alle einig: Wir sind infiziert - mit dem Ökumene-Virus! Nun gelte es, diesen Virus, diese Begeisterung weiterzutragen. Und beispielsweise für die Summer School, wie auch den Masterstudiengang zu werben. Aber auch ganz konkret auf die Ökumene daheim zu schauen: "Welche Kirchen sind vor Ort? Und was bringen wir ein, was können wir gemeinsam tun?", fasste es Ursula Thomé abschließend zusammen.