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25 Jahre nach dem Brandanschlag: "Sehnsucht nach Gottes Geist"

Kanzelabkündigung zu Pfingsten

Artikelbild Superintendentin Dr. Ilka Werner 
An den 25. Jahrestag des Brandanschlags in Solingen vom 29. Mai 1993 erinnert die Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Solingen, Dr. Ilka Werner, in ihrer Kanzelabkündigung zu Pfingsten.

„Je näher der Jahrestag kommt, desto mehr kommen die vielfältigen Gefühle von damals wieder hoch: die Trauer, die Angst, auch Wut und Scham“, schreibt die Theologin in ihrer Kanzelabkündigung, die an den kommenden Pfingsttagen in den Gottesdiensten der evangelischen Gemeinden verlesen werden soll. In diesem Jahr, so Werner, gingen bei vielen Solingern die Gedanken zurück an das Pfingstfest vor 25. Jahren. In der Nacht zum Pfingstsamstag war das Haus der Familie Genc angezündet worden. Fünf junge Frauen und Mädchen starben, 14 weitere Angehörige der Familie wurden schwer verletzt. Die darauffolgenden Pfingsttage waren von heftigen Demonstrationen und Ausschreitungen geprägt. Viele türkische und deutsche Menschen in der Stadt hätten damals Angst gehabt.

Auch 25 Jahre danach lösen die Erinnerungen und Diskussionen rund um die bevorstehende Gedenkveranstaltung bei vielen erneut heftige Emotionen aus. „Wir sind unruhig und verunsichert“, schreibt Ilka Werner. Zum diesjährigen Pfingstfest gebe es darum eine besondere Sehnsucht nach „Gottes Geschenk des Geistes“ und zeigt sich überzeigt: „Gott gießt seinen Geist aus.“

In ihrer Kanzelabkündigungen weist Werner auch noch einmal auf die zusätzlichen Veranstaltungen hin, die es an diesem besonderen Tag des Gedenkens in der Stadtkirche am Fronhof in der Innenstadt gibt: Nach der Gedenkfeier am Mahnmal beim Mildred-Scheel-Berufskolleg findet dort ein Gebet der Religionen sowie eine gemeinsame Mahlzeit zum Fastenbrechen statt.

Der Text im vollen Wortlaut:

Kanzelabkündigung zum Pfingstfest 20./21. Mai 2018

„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht,
sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“
(2. Brief an Timotheus 1,7)

Liebe Gemeinden in Solingen, liebe Schwestern und Brüder!

An Pfingsten sendet Gott uns Christinnen und Christen in die Welt, damit wir überall von seiner Gnade und Liebe erzählen. Beschützt, geleitet und unterstützt werden wir dabei von dem Heiligen Geist: Er gibt uns Mut und Kraft, lässt uns die richtigen Worte finden und schenkt uns innere Sicherheit.

In diesem Jahr gehen bei vielen, die schon lange in Solingen leben, die Gedanken zurück zum Pfingstfest vor 25 Jahren, 1993. In der Nacht zum Pfingstsamstag war das Haus der Familie Genc in der Unteren Wernerstraße angezündet worden und ausgebrannt. Fünf junge Frauen und Mädchen starben, 14 weitere Angehörige der Familie wurden schwer verletzt. An den Pfingsttagen war unsere erschütterte Stadt von Demonstrationen und Ausschreitungen geprägt. Fenster und Türen wurden vernagelt. Viele Menschen, egal, ob türkisch oder deutsch, hatten Angst und waren tief verunsichert.

All das jährt sich nächste Woche zum 25. Mal. Wie in jedem Jahr wird eine Gedenkfeier am Mahnmal an der Mildred-Scheel-Schule stattfinden. Außerdem gibt es, weil Ramadan ist, ein Gebet der Religionen und eine Einladung der Moschee-Gemeinde zum gemeinsamen Iftar-Mahl auf dem Fronhof und im Bürgersaal der Stadtkirche. Je näher aber der Jahrestag kommt, desto mehr kommen die vielfältigen Gefühle von damals wieder hoch: die Trauer, die Angst, auch Wut und Scham. Wir sind unruhig und verunsichert.

Darum sehnen wir uns in diesem Jahr besonders nach Gottes Geschenk des Geistes: Den Geist der Kraft, um die Sorgen in Schach zu halten. Den Geist der Liebe für das Beten nebeneinander und das Essen miteinander. Und den Geist der Besonnenheit, der uns an diesem Jahrestag vertrauensvoll und gelassen machen kann.

An Pfingsten gießt Gott seinen Geist aus - nehmen Sie reichlich davon mit in die nächsten Tage!

Ich wünsche Ihnen gesegnete Pfingsten,
Ihre
Pfarrerin Dr. Ilka Werner
Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Solingen“