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Präses: Duldung des Kirchenasyls spricht für den Rechtsstaat

Interview

Artikelbild Präses Manfred Rekowski auf der Landessynode 2019 
Kirchenasyl höhlt den Rechtsstaat nach Ansicht des rheinischen Präses Manfred Rekowski nicht aus, sondern zeigt vielmehr seine Stärke: Abschiebe-Entscheidungen könnten dadurch überprüft und vielfach revidiert werden, sagte der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Heikel findet der Migrationsexperte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), dass Behörden in Asylverfahren von getauften Flüchtlingen eine Art Glaubenstest vorgenommen haben sollen. Kein gutes Haar lässt Rekowski an der EU-Flüchtlingspolitik, auch wenn die Flüchtlinge auf Rettungsschiffen im Mittelmeer jetzt an Land dürfen.

Kirchenasyle sorgen immer wieder für Konflikte zwischen Behörden und Kirchengemeinden - zuletzt am Montag in Solingen, wo ein zum Christentum konvertierter Iraner seit März im Kirchenasyl lebt und am Montag vom zuständigen Kreis Wesel abgeschoben werden sollte. Den Mitarbeitern der Ausländerbehörde wurde der Zutritt verwehrt und der junge Mann wollte das Kirchenasyl nicht freiwillig verlassen. Hat sich die Gemeinde korrekt verhalten?

Wenn wir als Kirche Verantwortung für geflüchtete Menschen übernehmen, schließt das auch dieses Vorgehen ein. Nach Auskunft des Gemeindepfarrers haben 200 Menschen eine Andacht gefeiert und die Mitarbeiter des Ausländeramts mit Kerzen in der Hand empfangen. Ich sehe nichts, was daran zu beanstanden wäre, im Gegenteil: Die Gemeinde bleibt sich an dieser Stelle treu. Auf der anderen Seite dürfen staatliche Behörden, die den Aufenthaltsort eines ausreisepflichtigen Geflüchteten kennen, staatliches Recht jederzeit anwenden. In Nordrhein-Westfalen sind aber Räumungen seit einem Fall in Münster im Jahr 2016 unterblieben.

Kirchenasyl bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone und soll nach dem Willen des Staates eine Ausnahme bleiben. Wie viele Fälle von Kirchenasyl gibt es derzeit in der rheinischen Kirche?

Im gesamten Gebiet unserer Landeskirche sind es aktuell 65 Fälle, darunter 61 in NRW. In Relation zu den hier lebenden Geflüchteten ist das nach wie vor ein kleiner Prozentsatz. Der Staat duldet dieses Instrument, weil es eine rechtliche Überprüfung in Ausnahmefällen ermöglicht. Die hohe Zahl erfolgreicher Überprüfungen, die ein Bleiberecht für die Betroffenen nach sich gezogen haben, spricht sehr für das Kirchenasyl. Es bedeutet ja keinen Rechtsbruch, sondern ermöglicht in bestimmten Fällen, einen Aufschub zu erhalten, um Fälle noch einmal zu prüfen. Dass der Staat dies duldet und auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Kirchenasyl grundsätzlich für sinnvoll hält, spricht für die Souveränität des Rechtsstaats.

Einige Flüchtlinge konvertieren in Deutschland zum Christentum. Wie gehen Sie mit solchen Taufbegehren um - und verstehen Sie die Skepsis mancher Behörden?

Wir haben als evangelische Kirche klare Spielregeln für den Umgang mit Menschen, die sich taufen lassen wollen: Für Menschen mit deutschem Pass gilt in gleicher Weise wie für geflüchtete Menschen, dass sie zunächst eine Unterweisung erhalten und die Gemeinden kennenlernen, bevor sie getauft werden. Wir kämen nie auf die Idee, das Taufbegehren eines Menschen nicht ernst zu nehmen.

Verschiedentlich haben wir Hinweise darauf bekommen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Asylverfahren von getauften Flüchtlingen eine Art Glaubenstest vorgenommen hat. Das finden wir ausgesprochen heikel und haben dies dem Bundesinnenminister in einem Brief auch mitgeteilt. Nachvollziehbar ist aber, dass das Bamf einschätzen muss, ob einem Menschen bei einer Rückführung in sein Herkunftsland eine Gefahr droht. Ob sich ein Mensch aus Überzeugung taufen lässt, ist aber nichts, was eine staatliche Behörde zu klären hätte.

Der Iraner wäre nach Frankreich abgeschoben worden, weil er dort erstmals in die EU gelangte. Wie beurteilen Sie diese sogenannte Dublin-Regelung?

Diese Regelung kommt vielfach an ihre Grenzen und führt dauernd in Situationen, in denen man kaum das Richtige tun kann. Die Länder mit EU-Außengrenzen - vor allem Griechenland, Italien und Spanien - werden unverhältnismäßig stark belastet. Inzwischen ist das Dublin-System praktisch kollabiert. Alle europäischen Länder sind gefragt, eine andere Lösung zu finden. Allerdings herrscht seit Jahren Stillstand. Verwaltungsgerichte haben vielfach entschieden, dass Rückführungen in bestimmte EU-Länder nicht statthaft sind, weil die Lebenssituation für Geflüchtete dort zu heikel wäre. Auch dies ist ein Hinweis darauf, dass die bestehende Praxis nicht mit den Ansprüchen zusammenpasst, die wir an eine humanitäre Flüchtlingspolitik haben.

In Ihrem Bericht vor der rheinischen Landessynode habe Sie eine "tragfähige europäische Lösung" gefordert. Wie sähe eine solche Lösung aus und wie wahrscheinlich ist es, dass sie tatsächlich umgesetzt wird?

Sinnvoll wäre eine Vereinbarung, die eine faire Lastenverteilung zwischen den Mitgliedsstaaten vorsieht. Ich sehe aber derzeit leider keinen politischen Willen, zu einer Lösung zu kommen. Im Mittelmeer fahren seit Wochen Schiffe mit Menschen an Bord, die aus Seenot gerettet wurden, und kein Land will sie aufnehmen, solange es keine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik gibt. Das ist ein Armutszeugnis.

Dass die Geflüchteten nun auf Malta von Bord dürfen, ist ein Zeichen, das in die richtige Richtung weist. Aber auch für eine langfristige Lösung muss in der EU bald Land in Sicht sein. Die Werte, die uns in Europa verbinden, schließen nach meinem Verständnis auch einen humanitären Umgang mit Geflüchteten ein. Auch für solche Haltung hat die EU den Friedensnobelpreis bekommen. Derzeit ist diese Haltung kaum erkennbar.