Selbstgesetzte Blockaden abbauen

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"7 Wochen ohne Blockaden" heißt dieses Jahr das Motto der Fastenzeit. - Vielleicht ein Anlass, die selbstaufgebauten Prellböcke im eigenen Leben abzubauen, mein Superintendent Gerald Hillebrand. Mehr dazu hier in seiner Andacht zur Passionszeit. 

Superintendent Gerald Hillebrand„Sieben Wochen ohne Blockaden“ – lautet das Motto der diesjährigen Fastenaktion „Sieben Wochen ohne“. Ein Motto, das gut in unsere Zeit und mein Leben passt. Ich fühle mich blockiert – ziemlich stark sogar! Mein berufliches und privates Leben ist erheblich eingeschränkt – durch die Corona-Pandemie und die von der Regierung verordneten Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung. Ich kann nicht so, wie ich gern möchte, muss auf vieles verzichten, was ich gern tue und was zu meiner Lebensqualität gehört. 

Ich kann nicht verreisen – nicht einmal meine andernorts in Deutschland lebenden Familienmitglieder und Freunde besuchen. Ich kann selbst im eigenen Zuhause nur wenige Kontakte pflegen. Ich kann nicht ins  Konzert, ins Kino, ins Restaurant gehen. Ich muss Dinge, die ich brauche, übers Internet bestellen, obwohl ich sie viel lieber im Fachgeschäft kaufen würde. Ich darf nicht zusammen mit meinen Chorgeschwistern, nicht einmal zusammen mit der Gemeinde singen. Ich feiere Gottesdienst mit ein paar anderen Mitwirkenden in einer fast leeren Kirche und predige einer Kamera und einem Mikrofon statt einer lebendigen Gemeinde. Ich verbringe einen großen Teil meiner Zeit vor einem Bildschirm in Online-Konferenzen. Ich bin vorsichtig im Umgang mit anderen und auch mit mir selbst. 
 
Das alles ist gut, richtig, notwendig – aber es schränkt mich ein. Ich fühle mich blockiert, ohnmächtig. Was kann ich tun, entnervt wie ich mich manchmal fühle? Kann ich überhaupt etwas dagegen tun? Protestieren vielleicht? Gegen Maßnahmen, deren Notwendigkeit ich einsehe und zu denen mir keine echte Alternative einfällt? Gemeinsame Sache machen mit Corona-Leugnern, Verschwörungstheoretikern und denen, die ohnehin gegen alles und jeden sind - mit solchen also, mit denen ich nichts zu tun haben möchte und die ich nicht nur für beschränkt, sondern für gefährlich halte? Einstimmen in den Chor derer, die jede Maßnahme kritisieren, weil ihnen in ihrer Unzufriedenheit nichts anderes einfällt als permanent auf die Politik zu schimpfen? 
 
Meine Erkenntnis: Ich kann eigentlich gar nichts tun! Ich kann die Blockaden, die von außen auf mein Leben gelegt sind, nicht entfernen. Ich muss sie hinnehmen und aushalten, obwohl ich sie lieber heute als morgen loswerden möchte. Aber das liegt nun einmal nicht in meiner Hand, sondern in den Händen anderer. Und die handeln aus Fürsorge, auch wenn sie oft selbst nicht genau wissen, was richtig ist, und deshalb mitunter rat- und planlos erscheinen. Aber sie meinen es gut, handeln nach bestem Wissen und Gewissen, wollen weder anderen noch mir das Leben schwer machen. 
 
Vielleicht sollte ich meine Haltung ändern? Mich nicht gegen Blockaden stemmen, die ich nicht aus dem Weg räumen kann? Mich nicht ärgern über alles, was zurzeit eben nicht geht? Mich nicht aufregen über das oft planlos wirkende Handeln derer, die die politische Verantwortung tragen? Vielleicht sollte mich mit den Blockaden beschäftigen, die ich selbst beseitigen kann, weil ich sie selbst gemacht habe?  

Bin ich damit nicht viel näher dran an dem Motto der diesjährigen Fastenaktion? „Sieben Wochen ohne Blockaden“! Da geht es nicht ums Aufheben von Blockaden, die ich nicht selbst verursacht habe und an denen ich nichts ändern kann. Es geht ums Aufheben von Blockaden, die ich mir selbst auferlege - in meinem Denken, meinem Fühlen und meinem Tun. Es geht, um Jesus zu zitieren, nicht um den Splitter im Auge des anderen, sondern um den Balken in meinem eigenen Auge. Es geht um die Prellböcke, um das Foto aufzugreifen, die ich selbst gesetzt habe – vielleicht, um mich zu schützen, um mich vor Irrtümern und Sackgassen zu bewahren, um meine Ruhe und meine Bequemlichkeit nicht stören zu lassen, um Erwartungen anderer nicht zu sehr an mich heran zu lassen, um mich nicht zu Aufbrüchen und neuen Wegen verleiten zu lassen, um zu bleiben, wie ich bin, weil ich mich so recht wohl fühle? 
 
Damit das so bleibt und sich so bald nicht ändert, habe ich sicherheitshalber Blockaden aufgebaut: Bis hierher und nicht weiter! Das reicht! Ich tue schon genug, mehr muss ich mir nicht zumuten! Ich kann und will mich nicht um alles kümmern – da müssen jetzt mal andere ran!  
 
Ich könnte diese Aufzählung noch eine ganze Weile fortsetzen und dabei immer neue Blockaden entdecken. Blockaden, die mir nicht von außen vorgesetzt werden, sondern die ich alle selbst geschaffen habe. Und sicher ist es gut, darüber nachzudenken, ob ich diese Blockaden noch brauche, ob sie mir helfen oder mich eher einschränken, ob ich sie nicht getrost abbauen sollte. Ich kann ja mal mit meinem Widerwillen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen anfangen und versuchen, sie als notwendige und hilfreiche Beschränkungen zu sehen. Und wenn ich einmal dabei bin, fallen mir gewiss etliche andere Blockaden ein, die wegzuräumen jetzt an der Zeit ist. Gott schenke mir den Mut und die Kraft dafür!

Amen. 
 

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