14.08.2020

Systemrelevant – biblisch erklärt

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Kirche in WDR3 | Neufang

Guten Morgen.

Gehören Sie zu denjenigen, deren Beruf und Tätigkeit für die Gesellschaft unverzichtbar ist? Die also „systemrelevant“ sind.

Ein Begriff, den inzwischen viele Menschen kennen.

Sprecher: „Als systemrelevant werden Unternehmen, Infrastrukturen oder Berufe bezeichnet, die eine derart bedeutende volkswirtschaftliche oder infrastrukturelle Rolle in einem Staat spielen, dass ihre Risiken nicht hingenommen werden können oder ihre Dienstleistung besonders geschützt werden muss.“ (1)

Autorin: sagt der Eintrag in Wikipedia.

Zu Beginn der Corona-Krise hat die Politik festgelegt, wer systemrelevant ist –

und wer nicht.

Das sind Berufe und Einrichtungen, die Gesellschaft und Wirtschaft am Laufen halten. Systemrelevant hebt also diejenigen besonders hervor, die trotz Ansteckungsgefahr weiterhin zur Arbeit müssen oder dürfen, damit zum Beispiel das Gesundheitssystem nicht zusammenbricht und die Wirtschaft weiter läuft.

Polizisten, Ärztinnen, Pflegekräfte, Mitarbeiter der Verwaltung, Feuerwehr und Pflegeheime. Angestellte im Einzelhandel oder Politikerinnen und Politiker.

Wie gut, dass sie da sind und unser Leben aufrechterhalten.

Aber ist das eigentlich wirklich eine Auszeichnung? Wie sehen die Genannten das selber?

Pflegekräfte fordern längst eine bessere Bezahlung und ausreichende Schutzkleidung statt lauten Applaus. Verkäuferinnen reagieren eher verhalten,

weil sie plötzlich im Fokus stehen und einen „guten Zweck“ erfüllen – aber ist das ihre Funktion und Bestimmung?

Und was heißt das für Menschen in anderen Berufsgruppen.

Sind sie deshalb etwa verzichtbar? Künstler, Musikerinnen und Café-Inhaber?

Sind Bildungseinrichtungen, Kirchen, Sportstätten und Opernhäuser nicht genauso wichtig und wertvoll für das Leben? Damit Körper, Seele und Geist aufatmen

und Krisenzeiten überstehen? Damit auch das einen Wert bekommt, was sich nicht gleich ökonomisch rechnet.

Sprecher: Jesus aber antwortete und sprach: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes hervorgeht!“ (2)

Autorin: heißt es in der Bibel im Matthäusevangelium. Und der amerikanische Regisseur Woody Allen ergänzt flapsig, aber humorvoll:

Sprecher: „Der Mensch lebt nicht vom Brot nicht allein. Nach einer Weile braucht er einen Drink.“

Autorin: Ein Wort zum Schmunzeln. Es rüttelt mich aber auch auf. Denn es bringt mich zum Nachdenken: Klar ist es wichtig, dass meine täglichen Grundbedürfnisse gedeckt sind müssen, damit ich mich sicher fühlen kann.

Aber das allein gibt mir noch nicht Sinn, Orientierung und Halt.

Brot, Lebensmittel, materielle Güter gehören natürlich zum Leben unbedingt hinzu, sind unverzichtbar. Das persönliche Glück oder Wohlbefinden, der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft braucht aber ebenso auch ideelle, soziale oder kulturelle Aspekte.

Den Drink, den frisch gemixten Smoothie oder den leckeren morgendlichen Cappuccino als Mehrwert oder Genuss. Besonders in Zeiten wie diesen.

Der Mensch als ganzer ist ein stabiles System – aber auch eines, das aus vielen Besonderheiten und Einzelteilen besteht. Systemrelevant ist darum alles, was dem Leben dient, was Menschen und ihre Berufe nicht in Gruppen einteilt und bewertet, sondern jeder und jedem das Recht gibt, wichtig und wertvoll für den Erhalt unserer Gesellschaft zu sein. Deshalb unterstütze ich Künstler, freue mich über die Möglichkeit Gottesdienste zu feiern – mit Abstand und viel Phantasie. Damit wir weiter diese Zeit mit Corona durchhalten und unser Leben neu gestalten können.

Denn vom Brot allein, wird der Mensch nicht satt.

Pfarrerin Christiane Neufang aus Köln.

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Systemrelevanz zuletzt abgerufen am 12.07.20

(2) Matthäus 4,4, Luther 2017.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/52873_WDR3520200814NeufangWDR4.mp3

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