10.07.2021

Der letzte Pudding

„Die Letzten werden die Ersten sein.“ Das ist ein Kernsatz der Bibel (Mt 19,30), der das gewohnte Leben auf den Kopf stellt. In der Familie zum Beispiel.
Artikelbild Es geht nicht nur um dem Pudding, sondern auch um die Macht und die Frage, welche Hierarchien tun dem Leben gut

ch denke an meinen geschätzten Großvater:  Der nahm sich immer den letzten Nachtisch, den, der übriggeblieben ist. Und zwar mit dem lateinischen Sinnspruch: „Quod licet Iovi, non licet bovi.“ Zu Deutsch Was dem Jupiter (dem „Iovi“, dem höchsten Gott der Römer), erlaubt ist, das ist noch lange nicht dem einfachen Ochsen (dem „bovi“) erlaubt. – „Die Letzten werden die Ersten Sein“? – Nix da! Der Pudding war weg.

 

Mein Opa ist noch im Krieg gewesen, sogar in zweien. Vielleicht hat er da verinnerlicht: Das Leben funktioniert mit eindeutiger Rangordnung. Kriege gewinnst du nur mit klarer Hierarchie. – Er hat aber keinen Krieg gewonnen.

 

Vielleicht sind wir damit schon mitten in den Gedanken, die Jesus umgetrieben haben, als er seinen Jüngern sagt: „Die Letzten werden die Ersten sein!“ Es geht eben nicht um Krieg, sondern um Frieden und Versöhnung. Das Wort von den Letzten und den Ersten ist ein Wort gegen alle, die meinen ihre Macht vor allem auf Hierarchie zu bauen. Gegen alle, die ihre Macht aus ihrem Amt herleiten und nicht aus Kompetenz. Gegen alle, die sich aufspielen als Mächtige und Starke, in der Gesellschaft, in der Politik, im Büro und auch zuhause.

 

Gerade wir Christen sollen zeigen, dass es anders geht. Seid Vorbilder, sagt Jesus. Zeigt den Menschen, wie das Leben gelingt. Nämlich anders: Wenn Schwache auf einmal Einfluss bekommen. Wenn Ohnmächtige zu Wort kommen. Und ich kann meinen Teil dazu beitragen. Indem ich Menschen stark mache und meine Macht teile. Am Familientisch genauso wie in der Gesellschaft und in der Kirche. Und da geht es dann nicht nur um den letzten Pudding.

Joachim Gerhardt

Artikelbild Kölnische/Bonner Rundschau

Geistlicher Impuls zum Sonntag

Joachim Gerhardt, Pfarrer an der Bonner Lutherkirche und Pressesprecher des Kirchenkreises Bonn, schreibt alle drei Wochen das „Wort zum Sonntag" in der Gesamtausgabe der Kölnischen/Bonner Rundschau, auf Seite 4 in der der großen Tageszeitung in der Köln-/Bonner Region. Hier erfahren Sie mehr: www.rundschau-online.de

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