Aktuelle Erinnerung an Karl Barth: „Genosse Pfarrer“

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Ein bemerkenswertes Symposium in Bonn unter dem Thema „Genosse Pfarrer“ über das Verhältnis von Kirche und Politik zum Karl-Barth-Jahr 2019, ausgerichtet vom Reformierten Bund und von der Evangelischen Kirche in Deutschland. K. Rüdiger Durth berichtet:

Orgelmusik begrüßt am Freitagmittag die Teilnehmer eines Symposiums, die aus der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn-Friesdorf herüberkommen sind. Seit Donnerstagnachmittag haben sie zahlreichen anstrengenden Vorträgen über einen Mann gehört, der 1930 als Theologieprofessor nach Bonn kam. Hier in der Schlosskirche hat er gepredigt, in der Universität gelehrt. Professor Reinhard Schmidt-Rost stellt nicht nur die Kirche vor, sondern berichtet auch kurz über die akademische Arbeit des Mannes, der im Mittelpunkt der Vorträge stand.

Auf den Spuren Barths in der Bonner Kreuzkirche

Dann geleitet Pfarrer Rüdiger Petrat die Gruppe in die Kreuzkirche, wo der Professor auch Mitglied des Presbyteriums war. Dann allerdings musste er 1935 die Stadt verlassen, weil die Deutschen Christen ihm das Leben schwer machten und er den Führereid als Professor nicht ohne den Zusatz leisten wollte, dass der nur an den Eid gebunden sei, wenn er nicht gegen seine evangelische Überzeugung verstoße. Zu wenig für die Anhänger der herrschenden Nationalsozialisten, so dass der Professor den Möbelwagen bestellte und mit seiner Familie nach Basel fuhr, wo  die Universität schon auf ihn wartete.

Nach dem 2. Weltkrieg kehrte er noch einmal kurz nach Bonn zurück, aber bis zu seinem Tod vor einem halben Jahrhundert blieb er als gebürtiger Schweizer in Basel. Stumm lauschten die Seminarteilnehmer Pfarrer Petrat, der zugleich einen spannenden Einblick in die Zeit Bonner Kirchenlebens gab zu Beginn des Nationalsozialismus.  Obwohl es in der Kreuzkirche am Freitagnachmittag ziemlich kalt war, froren die Seminarteilnehmer nicht deshalb, sondern weil sie nun anschaulich erleben konnten, wo der Mann gelehrt und gepredigt hat, der Mann, der in seiner Bonner Zeit maßgeblich die Theologische  Erklärung von Barmen 1934 entworfen hat, der 1932 in die SPD eintrat, aber dessen Leben als Schweizer Bürger damals  nicht unmittelbar gefährdet war.

Erst sehr spät raffte sich Bonn auf, eine Straße (in Kessenich) nach ihm zu benennen – nach dem Mann, der 1932 den 1. von 13 Teilbänden mit insgesamt 9.300 Druckseiten fertigstellte, die unter dem Namen „Kirchliche Dogmatik“ das größte theologische Werk des 20. Jahrhunderts darstellt und dem Professor mit der für ihn charakteristischen Pfeife den Namen „Kirchenvater“ einbrachte. Sein Name: Karl Barth. Abschluss des Seminars bildeten Kaffee und Kuchen auf Einladung des Reformierten Bundes im Kirchenpavillon, dem Kirchencafé an der Kreuzkirche, das freilich zur Zeit Karl Barths noch nicht existierte. Meint ein Teilnehmer: „Hier hätte sich Barth sicher auch sehr wohl gefühlt. Aber ob er auch seine Pfeife hätte anstecken dürfen?“ Damals gab es noch kein entsprechendes Rauchverbot.

„Genosse Pfarrer“ lautete die nur auf den ersten Blick provozierende Überschrift des  Symposiums  über den politischen Karl Barth zum Verhältnis von Kirche und Politik, zu dem der Reformierte Bund (RB) und die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) gemeinsam am 31. Januar und 1. Februar 2019 nach Bonn eingeladen hatten. Es war ein erster Höhepunkt des Karl-Barth-Jahres 2019, das der Reformierte Bund und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mit einer Vielzahl  hochkarätiger theologischer Veranstaltungen für den protestantischen „Kirchenvater“ in den kommenden Monaten veranstaltet und zu dem das Karl-Barth-Magazin 2019 „Gott trifft Mensch“ erschienen ist.

Eröffnung und Ehrung durch FES-Vorsitzenden Kurt Beck

Karl Barth – wer? Für evangelische Theologen und Laien steht der Baseler Gelehrte, der vor einem halben Jahrhundert verstarb und dessen die Theologie revolutionierender Kommentar des paulinischen Römerbriefs vor nunmehr einem Jahrhundert erschien. Doch ansonsten gilt: Karl Barth – wer?  Diese Frage will das Karl-Barth-Jahr 2019 für nicht nur für  die Kirchen, sondern auch für die Politik (in der Schweiz trat Barth schon als junger Pfarrer der dortigen SPD und als Bonner Professor 1932 der deutschen SPD bei) bekannter machen – und zeigen, wie aktuell Barths kirchlich-politisches Denken ist. Für Kurt Beck, der als FES-Vorsitzender das Bonner Symposium eröffnete, ist Barth auch heute noch als Denker der Freiheit aktuell.

Für den Moderator (Vorsitzenden) des Reformierten Bundes, Martin Engels, sind bei Barth Politik und Theologie unterschieden, aber aufeinander bezogen. Und Barths berühmter Satz „Es wird regiert. Von oben“ gelte unvermindert und als Zuspruch auch für verantwortliche Politiker. Christen- und Bürgergemeinde, Titel einer berühmten Schrift Karl Barths“ seien auch heute untrennbar verbunden.

Der frühere sozialdemokratische Präsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse, stellte in seinem Vortrag über das Verhältnis von Politik und Kirche  fest, dass die Christengemeinde gerade in einer pluralistischer werdenden Gesellschaft die Aufgabe habe, sich aktiv an der Bürgergemeinde zu beteiligen: „Christen sollen nicht ängstlich sein, überzeugend öffentlich aufzutreten“  Die tief verankerte Demokratie müsse immer wieder neu erobert werden.

Westfälische Präses Kurschus: Kartl Barth auf politisches Handeln der Christen

Die stellvertretende Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die Leitende Geistliche der Evangelischen Kirche von Westfalen, Präses Annette Kurschus, erinnerte an die im laufenden Jahr anstehenden Wahlen und forderte dazu auf, den zerrissenen europäischen Kontinent wieder zu einen und die Gefahren durch einen stärker werdenden Fundamentalismus nicht zu verharmlosen. Für Präses Kurschus setzte Barth auf politisches Handeln der Christen. Gebet für Staat und Kirche ist aus ihrer Sicht Aufgabe des Glaubens. Gott ist, so die Präses mit Karl Barth, ein unbequemer Gott: „Einen Gott, den es auch sonst gibt, braucht kein Mensch.“

Für Johannes Voigtländer, den Beauftragten des Reformierten Bundes, geht es im Römerbrief nach Karl Barth vor allem um zwei Dinge: „Gott redet, wenn auch ganz anders, als man  es bisher gelernt hatte, dass Gott redet.“ Und dieser redende Gott ist kein Gott, der in starren, statischen ist-Aussagen nach der Formel Gott ist. angeredet, geglaubt und bekannt werden kann, sondern er ist ein Gott der Bewegung, der sich auf den Weg gemacht hat zu seinem Geschöpf, dem Menschen.“

Auch wenn Karl Barth der Sozialdemokratie angehört, bleibt er doch auch politisch ein unabhängiger freier Mann, der von Basel aus die Entwicklung des Nachkriegsdeutschlands aufmerksam verfolgt und kritisiert.  Nach Voigtländer kann er nicht begreifen, wie sich eine Partei christlich nennen kann, ist gegen die Wiederbewaffnung, sagt Nein zu allen Plänen einer Atombewaffnung: „Er bleibt ein streitbarer Zeitgenosse. Er verwehrt sich einer antikommunistischen Vereinnahmung der Theologie und seiner Position.“

Voigtländer weiter: “Karl Barth ist kein Held und er soll auch nicht dazu gemacht werden, aber von seiner Unabhängigkeit, von seiner Freiheit, von seiner Neugier auf die Welt und ihre Herausforderungen, davon können wir lernen. Er hat sie sich schenken lassen im Hören auf Gottes Wort, von Gott, der doch der  Schöpfer aller Menschen ist.“

Lese-Tipp

Das 75seitige DIN-A-4 große Karl-Barth-Magazin 2019 „Gott trifft Mensch“, das einen umfassenden Einblick in die Theologie Barths gibt, kann kostenlos bezogen werden über: versand@ekd.de

Weitere Infos: Offizielle Homepag zum Karl-Barth-Jahr 2019

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