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21.04.2021

Gottesbeweis

Kirche in WDR2 | 21.04.2021 | 00:00 Uhr

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Kann man Gott beweisen? Es war in einer kargen Klosterzelle in Frankreich, im Kloster in Le Bec in der Normandie. Fast 1000 Jahre ist das her, im Jahr 1078. Seine Mitbrüder ahnen nicht, mit welchen großen Fragen sich ihr Klostervorsteher herumquält. Anselm von Canterbury. Die Mönche lieben ihren Prior, gerade die jungen, die er so begeistern kann. Aber jetzt kann Anselm nicht mehr schlafen. Er isst nicht mehr richtig, trinkt kaum. Er soll unter Halluzinationen leiden, heißt es sogar.

Anselm sucht verzweifelt nach einem Beleg für die Existenz Gottes. Das ist wichtig, denn die Menschen seiner Zeit diskutieren: In welchem Verhältnis Glaube und Verstand stehen. Und schließt das eine (der Verstand) nicht das andere (den Glauben) aus? Eine erstaunlich moderne Diskussion.

Am Ende allen Ringens formuliert Anselm von Canterbury einen sogenannten „Gottesbeweis“. Der bis heute faszinieren kann: Gott ist das, „über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann“, heißt der bei ihm. Und alles, was gedacht werden kann, das hat auch eine Wirklichkeit. Wenn auch erst einmal nur in der Gedankenwelt. Das ist der kühne zweite Schritt seines Beweises. Der auch Widerspruch erntet. Jahrhunderte später spottet der Philosoph Immanuel Kant: 100 Taler gedacht, sind noch lange nicht 100 Taler bar in der Hand.

Und trotzdem: Anselms Gedankenwege öffnen neue Türen, die uns bis heute prägen. Er verbindet Theologie und Philosophie. Ein Christ muss seinen Verstand nicht an der Kirchentür abgeben. Du kannst auch bei klarem Verstand an Gott glauben. Und es ist immer wieder neu spannend, auch heute, das zu durchdenken.

Es gibt so viele bedeutende Wissenschaftler und Forscher, die zugleich fromme Menschen waren und sind. Anselm von Canterbury macht Mut: Glaube und Vernunft müssen kein Widerspruch sein.

Auch wenn am Ende wohl immer ein Punkt kommt, an dem ich spüre: Ich kann Gott und seine Existenz nicht beweisen. Glauben hat doch vor allem mit Vertrauen zu tun. Vielleicht kommt man Gott sogar näher in den suchenden Fragen nach Sinn, nach Verantwortung, als mit großen, endgültigen Antworten. – Zu beweisen ist nichts. Aber Nachdenken hilft. Auch in der Religion. Auch heute. Das verdanken wir Anselm von Canterbury. Heute ist sein Todestag im Jahr 1109.

Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

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