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13.08.2020

Der Rassismus in mir – die innere Kartoffel

Kirche in WDR2 | 13.08.2020 | 00:00 Uhr

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Ich bin rassistisch – daran habe ich nie einen Zweifel gelassen. Jetzt darf ich es laut sagen.

Ich bin aufgewachsen mit Mohrenköpfen, die die Bäckerin in das sog. Gammlerbrötchen quetscht. Für mich ist der Vater von Pippi Langstrumpf ein Negerkönig – auch wenn man das heute nicht mehr sagen darf. Und die jungen dunkelhäutigen Männer in den fetten Autos? Drogenhändler, Frauenhändler, Waffenhändler. Für mich gibt es so etwas wie rassistisches Profiling. Gut, dass ich nicht bei der Kripo bin. Der geflüchtete Mitschüler meines Sohnes kommt deutlich häufiger ins Visier der Polizei als sein weißer Freund. Das finde ich natürlich eine Schweinerei.

Also, er ist diffus. Mein Rassismus. Jetzt ist es an der Zeit für eine Selbsterkundung. „Entdeckt eure innere Kartoffel!“ ruft der schwarze Kollege Malcolm Ohanwe.“ Es ist an der Zeit, sich zu fragen, was bedeutet mein „weiß sein“. Weiß ist mehr als nur eine Hautfarbe. Es ist ein gesellschaftlicher Sitz im Leben, eine gesellschaftliche Verortung oder sollte ich besser sagen: Verordnung. Immerhin leben wir in Deutschland.

Ich bin weiß – natürlich. Da geht es schon los. Sehen Sie? Eigentlich ist es nicht natürlich. Es gibt in Deutschland auch andere Farben. Gott sei Dank.

Der Kontrolleur im Bus bleibt freundlich, als ich sage, ich kann meinen Fahrschein nicht finden. Die Tür öffnet sich gerade. Ich könnte aus dem Bus springen. Vollkommen problemlos. Er würde nichts sagen.

Das Haus, die Wohnung, den Schrebergarten zu mieten, ist für mich kein Problem. Da gibt es keine Fragen. Die Hautfarbe stimmt. Der Arbeitgeber ist auch ok. Es ist die Kirche.

Die kennt man in Deutschland. Andere Religionsgemeinschaften weniger.

Arbeit zu finden, ist für mich nie schwer gewesen. Klar, ich habe nicht jede Stelle bekommen, auf die ich mich beworben habe. Aber normal, oder?

Weiß sein bedeutet, ich bin nicht von Rassismus betroffen. Ich habe einen besonderen Blick auf die Welt. Und dieser wird absolut gesetzt. Zur Norm erhoben.

Ja, man kann das Ganze auch aktivischer formulieren. Diesen Blick erhebe ich zur Norm. Darum geht es. Diesen Blick, diese Norm wahrzunehmen und zu hinterfragen.

Sich klar zu machen, dass man nicht mehr Recht auf irgendetwas hat, nur weil man „weiß“ ist. Gott schuf den Menschen als Mann und Frau, als Frau und Mann schuf er sie, nach seinem Ebenbild, sich selbst zum Bilde. Von verschiedenen Hautfarben und daraus resultierenden Rechten ist da keine Rede. Am Anfang war die Welt gerecht. Das stimmt hoffnungsvoll.

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